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Wie in einer Familie

Gemeinsam ist besser: Žarko Šešum macht beim Hockey eine gute Figur

„Bei uns läuft es im Augenblick nicht rund und wir wissen selbst nicht, warum das so ist“, sagte Matthias Witthaus spontan, als er an die durchwachsenen Resultate des Mannheimer HC in der aktuellen Feld-Saison dachte. Der Nationalspieler zuckte mit den Achseln und blickte zu Žarko Šešum hinüber, der dieses Gefühl ebenfalls kennt. Doch darüber wollte sich der Serbe nicht allzu viele Gedanken machen, als er auf dem Gelände des MHC auf dem Neckarplatt in der Quadratestadt stand. Die Aktion „Gemeinsam ist besser!“ hatte den Rückraumspieler auf den Hockeyplatz geführt und voller Tatendrang bewies der Rechtshänder, dass er auch mit der kleinen weißen Kugel umzugehen versteht – trotz der eigenen Körpergröße.

Es kam nicht von ungefähr, dass Šešum mit dem Hockeyschläger in der Hand eine gute Figur abgab. „Wir haben in Veszprém vor dem Training oft Floorball ge­spielt“, verriet der Serbe noch ehe er das Hockeyracket in der Hand hielt. Floorball, hierzulande Uni-Hockey genannt, ähnelt der olympischen Sportart Hockey und bedeutete für Šešum gute Voraussetzungen, als es auf dem Kunstrasenplatz des MHC ans Eingemachte ging. Immerhin bekam es der Serbe mit drei Akteuren zu tun, die das Spiel mit dem Krumstab perfekt beherrschen. Fabian Pehlke, Michael Purps und Matthias Witthaus zählen zu den besten Hockeyspielern in Deutschland und sollen mithelfen, dass die Blau-Weiß-Roten nach der deutschen Meisterschaft in der Halle im Jahr 2010 bald auch auf dem Feld einen Pokal in die Höhe strecken können. Pehlke zeigte sich übrigens als mutiger Mensch, in dem er gleich zu Beginn verriet, dass er dem THW Kiel die Daumen hält. Was aber auch nicht weiter verwunderlich ist, schließlich spielte der Stürmer viele Jahre in der Ostseestadt Hockey. „Wenn man in Kiel lebt, kommt man an den Themen Handball und THW gar nicht vorbei.“ Am besten kennt sich mit dem Titelsammeln Witthaus aus, der weltweit zu den erfolgreichsten Hockeyspielern zählt. Der 29-Jährige gewann 2008 die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Peking, heimste vier Jahre zuvor immerhin Bronze ein, wurde zwei Mal Weltmeister (2002, 2006) sowie Vize-Weltmeister (2010). Die Liste der Triumphe könnte noch viel weiter geführt werden, doch Witthaus selbst bildet sich darauf nicht viel ein. Im Gegenteil: Entspannt wirkte der Stürmer, der in ein paar Monaten zum Rekord-Nationalspieler aufsteigen wird, und machte viele Späße.

„Ich glaube, Žarko wird Rückenschmerzen haben“, sagte er grinsend, als er die Körpergröße des Serben betrachtete. Was beim Handball ein großer Vorteil ist, bringt beim Hockey eben Probleme mit sich: Gardemaß. „Ich möchte viel Spaß haben – und keine Rückenschmerzen bekommen“, erklärte Šešum vor der Trainingseinheit. Und nachdem ihm die Hockey-Cracks kurz die Regeln beim Hockey erklärt und noch in der Umkleidekabine ein paar technische Übungen absolviert hatten, konnte es auf dem Platz losgehen.

Nach ein paar lockeren Schlägen ging es kurz danach mit dem „Wettkampf“ los. Im Duell Zwei gegen Zwei auf kleine Tore konnte Šešum sein Talent beweisen. Trotz seiner Körpergröße zeigte der Serbe dabei, dass er es durchaus versteht, mit der kleinen weißen Kugel umzugehen. Nach seinem ersten Treffer riss er jubelnd die Arme nach oben und das breite Grinsen, das er dabei „aufsetzte“, machte deutlich, wie viel Freude er dabei hatte. Das Duell wogte eine Zeit lang hin und her, ehe irgendwann niemand mehr wusste, wie das genaue Resultat war und man sich auf ein Unentschieden einigte.

„Er macht das wirklich gut“, lobte Witthaus nach der kurzen Trainingsstunde und outete sich als Handball-Fan. „Ich war schon einige Male in der SAP Arena und es ist wirklich toll“, sagte der Olympiasieger.

Beim Siebenmeterschießen kam Šešums „Wettkampf-Gen“ wieder zum Vorschein. Zugegebenermaßen benötigte er ein paar Versuche, bis er endlich ein Tor erzielt hatte, aber dafür feierte der Serbe das Erfolgserlebnis umso ausgelassener. Insgesamt hatten die Vertreter der beiden Sportarten viel Spaß gemeinsam und erzählten sich noch einige Anekdoten, während sie sich in der Umkleidekabine umzogen. Es herrscht eben immer eine lockere Atmosphäre, wenn Spitzensportler aufeinandertreffen. Das war auch im Anschluss noch so, als im schönen Klubhaus des Mannheimer HC die Gedanken weiter um den Sport kreisten. Nur einmal wurde die Miene von Šešum ernster, als Marian Cozma Gesprächsthema wurde. Der Rumäne spielte mit Šešum gemeinsam beim ungarischen Spitzenklub KC Veszprém, als beide mit ein paar anderen Teamkollegen im Februar 2009 in einer Disko in eine Schlägerei verwickelt wurden, an deren Ende Šešum schwer verletzt im Krankenhaus landete, während Cozma an den Folgen mehrerer Messerstiche starb.

„Inzwischen ist der Prozess gegen die Täter beendet“, berichtete der Serbe und war froh, dass die Strafen hart waren. Zwei Mal lebenslänglich verhängte die ungarische Justiz, außerdem müssen drei weitere Männer 40, 20 beziehungsweise sieben Jahre in Haft. Das alles bringt Marian nicht zurück, aber es hilft, dieses Kapitel ein Stück weit abschließen zu können“, erklärte Šešum, der sich von ehemaligen Mannschaftskameraden während des Prozesses informieren ließ.

Durch den Rückblick hin zu den schwärzesten Stunden seines Lebens ließ sich der 25-Jährige aber nur kurz die Stimmung vermiesen, inzwischen hat er gelernt, mit den Erinnerungen zu leben. Und seinen Fokus auf die Zukunft zu richten, denn sowohl im privaten wie auch im sportlichen Bereich hat Šešum positive Erwartungen. Privat zementierte Šešum sein Glück im Juni, als er seiner langjährigen Freundin Milana in seiner Heimat das Ja-Wort gab. In Bačka Palanka waren etwa 100 Personen dabei. „Das war für unsere Verhältnisse eher eine kleine Feier“, sagt der Serbe, der wegen fehlender Vorbereitungszeit darauf verzichtete, im großen Stil zu heiraten. „Es war eine tolle Sache und ich bin glücklich, jetzt mit Milana verheiratet zu sein.“

Vielleicht liegt es auch ein Stück weit am privaten Glück des Rückraumspielers, dass er aktuell nicht mehr aus dem Löwenteam wegzudenken ist. In der Abwehr bildet er mit Oliver Roggisch einen immer besser harmonierenden Innenblock und im Angriff dankte er seinem Trainer die viele Einsatzzeit mit vielen Toren und guten Spielen. In seinem zweiten Jahr bei den Badenern ist Šešum in der Bundesliga und seinem neuen Klub angekommen. „Ich denke, es ist normal, dass man Zeit für die Umstellung braucht. Außerdem war ich verletzt, als ich vor einem Jahr hierher kam“, erinnert er sich zurück. Inzwischen ist das damals malade Kniegelenk komplett verheilt und ermöglicht es dem spielstarken Rechtshänder, sein ganzes Können auf die Platte zu bringen.

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