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„Wir befinden uns in der Reha“ (MM)

Löwen-Manager Thorsten Storm spricht über den neuen Kurs seines Klubs und fordert eine Verlegung des olympischen Handball-Turniers zu den Winterspielen

MANNHEIM. Turbulent ging es in den vergangenen Monaten beim Handball-Bundesligisten Rhein-Neckar Löwen zu. Mittlerweile ist aber Ruhe bei den Badenern eingekehrt – und Manager Thorsten Storm freut sich, dass es wieder losgeht.

Herr Storm, mit welchen Gefühlen gehen Sie in die Saison?

Thorsten Storm: Zunächst einmal bin ich stolz, dass wir mit diesem Kader in die Runde gehen und wir die Schwierigkeiten der letzten Monate hinter uns gebracht haben. Die Trennung von unserem Geldgeber Jesper Nielsen ging an die Substanz und unter die Haut. Das war bislang die schwierigste Herausforderung in meiner beruflichen Karriere. Nun freue ich mich, dass langsam wieder der Sport im Vordergrund steht. Am Anfang wird es sicherlich noch ein bisschen rumpeln, viele Spieler waren bei Olympia. Innerhalb von zehn Tagen kann eine neu formierte Mannschaft sich nicht finden. Aber ich bin davon überzeugt, dass dieses Team mittelfristig richtig guten Handball zeigt. Wir haben eine hungrige Mannschaft!

Ist der Klub enger zusammengerückt?

Storm: Das wird sich zeigen, wenn es mal nicht so läuft. Im Erfolg wollen viele Leute dazugehören. Wir sind darauf angewiesen, dass alle zusammenhalten. Denn wir haben nicht mehr den einen großen Mann, der alles entscheidet, sondern sind gemeinsam dafür verantwortlich, die Löwen auf den richtigen Weg zu bringen: Kronau und Östringen, Mannheim und eine ganze Handball-Region. Ich spüre in der Mannschaft auf jeden Fall einen guten Geist, es weht ein frischer Wind auch in unserem direkten Umfeld.

Wie erklären Sie sich das?

Storm: Bei uns sind Kräfte frei geworden, die vorher zwar da waren, aber nicht zur Entfaltung kamen, weil es einfach nicht passte und zu viel versprochen wurde, was nicht zu halten war. In der besten Liga der Welt zieht man mal nicht eben an den etablierten Mannschaften vorbei. Doch das muss man, wenn man etwas gewinnen will. Profisportler haben an sich schon einen hohen eigenen Anspruch, da können öffentlich geschürte und dazu vielleicht auch zum Teil unrealistische Erwartungen schnell zu einem Hemmschuh werden.

Starten die Löwen bei null?

Storm: Unsere Fans haben ein feines Näschen dafür, dass das alles hier nicht einfach ist. Die Zukunft unseres gesamten Klubs stand auf des Messers Schneide. Wir schauen jetzt nach vorne, müssen uns aber das Vertrauen der Menschen zurückerobern. Wir sind auf die Rückendeckung unserer Region angewiesen, Jungs aus der Kurpfalz stehen ja nun ausreichend auf dem Feld.

Wie verändert der Talent-Kurs die Mannschaft?

Storm: Nachwuchskräfte wie Marius Steinhauser, Kevin Bitz, Nils Kretschmer und Jonas Maier sind wahnsinnig stolz, dass sie eine Chance bei uns bekommen. Für die Löwen zu spielen, bedeutet für diese jungen Kerle keine Arbeit, sondern Spaß. Und das überträgt sich auf die ganze Mannschaft. Denn es ist ein Unterschied, ob jemand seinen Job macht oder ob er dabei seine Leidenschaft entfacht. Aber auch alle anderen bei uns sind Klasse-Typen, wir haben eine gute Mischung.

Die Olympischen Spiele erschwerten die Vorbereitung allerdings ungemein.

Storm: Ich bin dafür, den Handball ins Programm der Winterspiele aufzunehmen. Wir sind eine Hallensportart. Dieser Wechsel würde vieles einfacher machen. Es gäbe beispielsweise keine zwei Turniere mehr in einem Jahr, weil Winterspiele wie auch Welt- und Europameisterschaften zu Jahresbeginn ausgetragen werden. Das würde den Kalender entzerren. Ein Jahr WM, ein Jahr EM, ein Jahr Olympia und ein Jahr haben die Vereine einmal die Gelegenheit, auch im Januar zur besten Zeit in ihren Ligen zu spielen. Das würde den Spielern aufgrund einer Entzerrung des Terminkalenders Entlastung geben und die Arbeitgeber bekämen wieder Luft zum Atmen. Ansonsten kippt dieses System bald, weil die Vereine es wirtschaftlich nicht mehr schaffen. Außer der deutschen Bundesliga gibt es doch schon keine starke nationale Liga mehr in Europa.

Erst Göppingen, dann Melsungen: Haben Sie Angst vor einem Bundesliga-Fehlstart?

Storm: Spiele in Melsungen und Göppingen sind immer schwierig. Egal wann. Deswegen schaue ich weniger auf den Start. Klar ist: Wir sind nicht mehr die großen Löwen, sondern die jüngste Mannschaft, die dieser Klub jemals gesehen hat. Aber keine Löwen-Mannschaft hatte eine bessere Perspektive als diese Jungs.

Welche Ziele peilen Sie mit dem Verein an?

Storm: Wir müssen uns nicht kleiner machen, als wir sind. Unsere Mannschaft hat sich intern sportliche Ziele gesetzt. Die Jungs erwarten von sich eine ganze Menge. Und wenn wir diese Ziele erreichen sollten, spielen wir eine gute Saison. Wir gehen jetzt aber nicht nach draußen und hauen großartig auf die Tonne. Das steht uns nicht zu. Nach dieser kurzen Saisonvorbereitung Ziele nach außen zu tragen, wäre verfrüht. Wir können nach den ersten fünf, sechs Spielen nochmals sprechen.

Welche Perspektive hat der Klub?

Storm: Das Gesicht dieser Mannschaft hätte ich gerne schon früher so gehabt, aber das war nicht möglich, weil der Erfolg sehr schnell erzwungen werden sollte. Ich wünsche mir, dass dieses Team noch lange in dieser Konstellation zusammenspielen kann, doch das hängt auch von unseren wirtschaftlichen Möglichkeiten ab. Wir sind ja immer noch nicht ganz geheilt, sondern wurden operiert und befinden uns sozusagen in der Reha. Wenn diese Mannschaft so zusammenbleibt, dann können wir allerdings viel erreichen. Aber es ist auch eine Herausforderung, Jungs wie Uwe Gensheimer und Niklas Landin oder Kim Ekdahl du Rietz und Patrick Groetzki zu halten. Denn die wollen mit ihrem Potenzial irgendwann mal richtig großen Erfolg haben. Für uns spricht: Im Gegensatz zu anderen Bundesligisten haben wir den Umbruch schon vollzogen und letztlich können auch wir große Ziele erreichen, wenn wir so zusammenbleiben.

Die Verträge von Kim Ekdahl du Rietz und Bjarte Myrhol enden nach der Saison. Wie ist der Stand der Dinge?

Storm: Bei Kim besteht die Möglichkeit, dass er länger bleibt. Ich bin zuversichtlich, dass das auch passiert. Und mit Bjarte laufen Gespräche. Er hat signalisiert, dass er bei uns bleiben möchte. Und wir möchten ihn behalten. Trotzdem wird das für uns eine Herausforderung.

Von Marc Stevermüer.