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„Wir haben alle den Kopf ausgeschaltet“

Mannheim. Die Frage war unvermeidbar. Sie musste einfach kommen. Mit acht Treffern hatten die Rhein-Neckar Löwen in der Champions-League-Partie gegen Chambéry Savoie geführt – und doch endete das Spiel 31:31. Wie konnte das passieren? Gudjon Valur Sigurdsson, der Kapitän und Flitzer auf dem linken Flügel, stellte sich, während andere fluchtartig die Kabine aufsuchten. Und der Rechtshänder versuchte, das kollektive Versagen des badischen Handball-Ensembles in der Schlussphase zu erklären. Erst einmal gewährte der Isländer allerdings einen Blick in seine aufgewühlte Gefühlswelt: „Ich bin brutal enttäuscht. Dieses Unentschieden tut verdammt weh.“

Sigurdsson schilderte sein Seelenleben, doch die Frage blieb natürlich: Wie konnte das absolut Unvorstellbare überhaupt passieren? „Wir haben alle den Kopf ausgeschaltet“, suchte der Linksaußen die Ursache für den 24-minütigen Horrorfilm vom 21:13 (36.) bis zum 31:31-Endstand in der Psyche. Gedanklich hatten die Löwen schon einen Haken an die Partie gemacht. Und so kam es, wie es kommen musste. Die Badener stellten die Arbeit ein, sie quälten sich nicht mehr. Geschlossenheit in der Deckung? Fehlanzeige! Eiskalte Chancenverwertung? Denkste! Konzentration im Spielaufbau? Nein! In der Champions League wird dieses – fast schon überhebliche – Fehlverhalten eiskalt bestraft.

Der kollektive Kollaps verwunderte umso mehr, weil die Gelbhemden schon gegen Kielce ähnlich sorglos einen Vorsprung verspielten. Doch sie begingen den Fehler erneut. „Zweimal waren wir klar die bessere Mannschaft. Und zweimal haben wir uns selbst den Punktverlust eingebrockt“, meinte Sigurdsson, der sich selbst nicht aus der Kritik nahm und niemandem Absicht unterstellte: „Der Bruch ging durch die gesamte Mannschaft.“

Trainer Ola Lindgren wird bis zur Partie gegen Gummersbach am Sonntag (17.45 Uhr/live im DSF) in Köln viel Aufbauarbeiten leisten müssen. Und er wird seine Jungs daran erinnern, dass es auch gegen die Oberbergischen auf Kleinigkeiten und eine professionelle Einstellung über 60 Minuten ankommen wird. „Wir haben uns gegen Chambéry auf der deutlichen Führung ausgeruht. Das ist im Sport immer wahnsinnig gefährlich“, sagte der Schwede: „Und in der Champions League kann man sich das erst recht nicht erlauben.“

Keine Frage: Nach der Länderspielpause haben die Löwen erst einmal einen Dämpfer erhalten, nachdem es zuvor blendend gelaufen war. Als Ausrede ließ Manager Thorsten Storm die fast zweiwöchige Unterbrechung aber nicht gelten. „Wenn das ein Problem für einen Spieler ist, dann sollte er lieber nicht zur Nationalmannschaft reisen“, sagte der Geschäftsführer, der restlos bedient war und meinte: „Gummersbach ist stärker als Chambéry. Da werden wir uns besser präsentieren müssen, um zu gewinnen.“

Von Marc Stevermüer

 06.11.2009