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„Wir haben keine Schadenfreude“ (BNN)

Die Löwen konzentrieren sich auf das eigene Tun / Am Sonntag gegen Lemgo

Als am Mittwochabend mehr als neun Millionen Zuschauer dem Ersten bei der Live-Übertragung des DFB-Pokalhalbfinales Berlin gegen Dortmund zu einer Top-Quote verhalfen, guckte Nikolaj Jacobsen Minderheiten-Programm. Die Stunden mit dem Spartensender Sport 1 sollten sich lohnen für den Handballtrainer des Bundesliga-Tabellenführers Rhein-Neckar Löwen, denn er verfolgte frohlockend, wie zuerst die SG Flensburg-Handewitt beim SC Magdeburg (23:23) und danach der THW Kiel bei der HBW Balingen-Weilstetten Punkte liegen ließen im Dreikampf um die deutsche Meisterschaft.

Für Euphorie aber sah Jacobsen am Tag danach keinen Anlass: „Es ist immer gut, wenn die beiden ärgsten Verfolger Punkte abgeben. Dass Flensburg nicht in Magdeburg gewonnen hat, war wichtig. Aber über das Ergebnis von Kiel freue ich mich nicht wirklich“, sagte der Däne.
Was komisch klang, erklärte Jacobsen damit, dass der nun zwei Minuspunkte mehr als die Löwen aufweisende THW weiterhin alles tun werde, den Titel doch noch erfolgreich zu verteidigen. „Sie haben die vergangenen Jahre immer bewiesen, dass sie nicht aufgeben“, erinnerte Jacobsen und mahnte ebenso wie Teammanager Oliver Roggisch, die Konzentration auf das eigene Tun zu richten. „Wir haben keine Schadenfreude, denn wir wissen, wie so etwas passieren kann. Wir schauen weiter nur auf uns“, sagte Roggisch. Kein Spieler der Löwen werde der Gefahr erliegen, zu glauben, der Spitzenreiter habe wegen seines Vorteils von zwei Minuspunkten weniger und der besseren Tordifferenz in den verbleibenden sieben Spielen einen Fehlschuss frei. Jacobsen: „32 Tore sind nicht so viel, das hat man vor zwei Jahren gesehen.“ Damals hatten den Löwen drei Treffer zum ersten Titelgewinn gefehlt, sie waren am letzten Spieltag von Kiel noch abgefangen worden.
Trainer Alfred Gislason vom THW Kiel hat derweil nach dem überraschenden Punktverlust im Schwäbischen die Favoritenrolle den Löwen und damit ihnen auch den Druck aufgeladen. Im Interview mit den Kieler Nachrichten stellte er die rhetorische Frage: „Sind wir in der Verfassung, in der wir zwei Punkte und 32 Tore aufholen können?“ Gislason übte Selbstkritik: „Man muss auch selbst so spielen, dass man es verdient, deutscher Meister zu werden. Das haben wir in Balingen nicht gemacht.“
Genau diesem von Gislason formulierten Anspruch wollen die Löwen, die zuletzt in Gummersbach meisterlich aufspielten, in den verbleibenden Partien gerecht werden – schon am Sonntag (15 Uhr/Sport 1) in der Mannheimer SAP-Arena wieder gegen den TBV Lemgo. Von dessen Tabellenplatz zwölf möge sich keiner seiner Spieler blenden lassen, warnte Jacobsen und kündigte an: „Ich werde die Jungs daran erinnern, wie wir letztes Jahr bis zur 59. Minute um die zwei Punkte gezittert haben.“ Das Spiel endete 35:34. Er sei aber guten Mutes, dass diesmal die Hausaufgabe zu aller Zufriedenheit gelöst werde.
Die Voraussetzungen für ein Handballfest sind aus Löwen-Sicht jedenfalls günstig. Zum einen wird Jacobsen auf alle Spieler zurückgreifen können, nachdem Alexander Petersson seine fiebrige Erkältung auskuriert hat. Zum anderen konnten sich die Löwen lange wie selten zuvor auf die Prüfung Lemgo vorbereiten: eineinhalb Wochen. „Das war sehr schön. Wir haben gut trainiert und an ein paar Kleinigkeiten gearbeitet, die uns noch mehr Sicherheit bringen sollten“, sagte Jacobsen und kündigte für heute eine „intensive Einheit“ an. Vergnügliche Stunden vorm TV soll kein Kollege verbringen können, wenn die Löwen spielen.
Von Reinhard Sogl