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„Wir haben weitere Handballer, die das Zeug zum Profispieler haben“
Chef des Löwen-Nachwuchsleistungszentrums spricht über seine Arbeit, die aktuelle Saison und Junglöwen mit großen Perspektiven
Wie kaum ein anderer kennt Rolf Bechtold die Rhein-Neckar Löwen. Seit Jahrzehnten gestaltet der 69-Jährige das Vereinsgeschehen mit und verantwortet als Sportlicher Leiter und Chef des Nachwuchsleistungszentrums die Ausbildung der jungen Handballer an vorderster Linie. Noch nie war die Ausbildungsarbeit so erfolgreich wie aktuell. Darüber haben wir uns mit Rolf Bechtold unterhalten und nachgefragt, welche Erfolgsfaktoren ausschlaggebend sind.
Rolf, Spitzenplätze in allen Leistungsteams, Einsätze bei den Profis und zig DHB-Nominierungen – den Jahreswechsel hat der Sportliche Leiter deshalb bestimmt ganz entspannt verbringen können?
Rolf Bechtold: Absolut richtig. Die Zwischenbilanz der einzelnen Teams ist absolut vorzeigbar. Darauf können wir richtig stolz sein. In den ruhigen Stunden der Weihnachtstage konnte ich mit etwas Abstand zum Tagesgeschäft alles Revue passieren lassen und mich durchweg darüber freuen, wie stark unsere Teams unterwegs sind.
Das Drittligateam führt die Gruppe F an, die A-Jugend dominiert in der Jugend-Bundesliga, die B-Jugend hat die Vorrunde ebenso souverän abgeschlossen und auch die C-Jugend steht dem in nichts nach. Hätte bisher nicht besser laufen können, oder?
Bechtold: Die Zahlenbilanz ist natürlich bombastisch, aber es geht mir dabei nicht nur um Ergebnisse und Tabellenstände, auch wenn die im Sportwettkampf natürlich ihre Bedeutung haben und wir immer möglichst weit oben stehen wollen. Es sind auch andere Punkte enorm wichtig.
Welche zum Beispiel?
Bechtold: Die Grundlagen zu schaffen, damit wir überhaupt Top-Ergebnisse erzielen können. Was am Wochenende in Ergebnislisten und Tabellen zum Ausdruck kommt, ist das Ergebnis der Arbeit unter der Woche. Und hier liefern alle einfach richtig gut ab. Das sieht die Öffentlichkeit meist nicht, ich kann das sehr wohl einschätzen.
Und bestimmt auch würdigen?
Bechtold: Selbstverständlich, denn in der Trainingshalle arbeiten die jungen Handballer an ihrem Fortschritt: an der körperlichen Entwicklung und der spielerischen/taktischen Auffassungsgabe. Aber auch an ihrem sozialen Auftreten. Wir nutzen die vorhandenen Möglichkeiten, die wir Dank der finanziellen Unterstützung aus der Dietmar Hopp Stiftung und „Anpfiff ins Leben“ mit dem gesamtheitlichen Betreuungsgrundsatz haben, konsequent aus. Die Verzahnung der drei Säulen Sportliches, Berufliches und Soziales leben wir durchweg. Die Unterstützung dieser beiden Partner, aber auch unserer Sponsoren, sind wichtige Komponenten für unsere gute Nachwuchsarbeit. Dafür bin ich ungemein dankbar.
Aber wie bringen die Junglöwen die Möglichkeiten dann letztendlich auf die Platte?
Bechtold: Die zuvor beschriebenen Rahmenbedingungen sind das eine, es mit Leben zu füllen das andere. Das gelingt nur, weil das komplette Team auf und neben dem Feld absolut super miteinander vertrauensvoll und engagiert arbeitet. Angefangen bei der überragenden Trainerqualität. Es stehen nicht persönliche Interessen im Vordergrund, sondern der Gesamterfolg der Junglöwen.
So sollte es doch immer sein?
Bechtold: Sollte, aber ist ja nicht immer so, was wir aus eigener Erfahrung wissen. Jetzt bringt uns diese großartige Stimmung immer weiter nach vorne. Mit dieser wertschätzenden, offenen und ehrlichen Zusammenarbeit bilden wir ein starkes Team. Dabei schließe ich ausdrücklich alle Betreuer, Physios, die Geschäftsstelle und unser engagiertes Medienteam mit ein.
Und dies gelingt trotz der Corona-Pandemie gut?
Bechtold: Es klappt, aber Corona hat uns alles erschwert. Die Phase mit dem Lockdown war für uns wie für alle anderen Vereine sportlich wie gesellschaftlich sehr schwierig. Die Hallen waren geschlossen, der Trainings- und Spielbetrieb komplett stillgelegt. Das war ein Horrorszenario, auch wenn wir mit digitalen Angeboten Alternativen geboten haben. Es war bei unseren Trainerinnen und Trainern reichlich Kreativität gefragt. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vor Ort kann jedoch durch kein anderes Format ersetzt werden.
Wie wichtig war es, dass wenigstens die Leistungsteams nach dem harten Lockdown schnell wieder trainieren durften?
Bechtold: Jeder Tag Training mehr war positiv, denn die Jugendlichen werden ja nicht jünger und die Schwelle in den Seniorenbereich muss genommen werden. Das gelingt beim Blick auf unser Drittligateam und die U19 vorzüglich, zieht sich aber bis zu den Minis durch. Wir sind insgesamt bis zu den Jüngsten gut durchstrukturiert und verfügen, wie bereits erwähnt, über sehr qualifizierte und engagierte weibliche und männliche Übungsleiter, die sich mit Herzblut einsetzen.
Lohn der Früchte sind auch Meisterschaften. Wann ist der nächste Titel im Jugendbereich fällig?
Bechtold: Eine nächste Deutsche Meisterschaft wäre selbstverständlich das Nonplusultra. Wir waren in den letzten Jahren mehrfach ganz nahe dran, zuletzt in 2021 die U17 mit dem Gewinn der Vizemeisterschaft. Auch die U19 hat es wieder bis ins Halbfinale geschafft. Auch das sind richtig gute Erfolge.
Die wie genau eingestuft werden?
Bechtold: Ich wiederhole mich mit dem ganzheitlichen Ansatz unserer Ausbildung, so dass nicht nur Titel Bestätigung unserer Arbeit darstellen, sondern vor allem die Entwicklung. Wir stellen neben den Füchsen Berlin die meisten Jugend- und Juniorennationalspieler für den DHB. Mit Philipp Ahouansou und David Späth, der mit Robert Krass U19-Europameister wurde, haben zwei überragende Nachwuchshandballer bei den Löwen Profiverträge erhalten. Leider hat sich David verletzt, was mir persönlich sehr weh tut. Ich wünsche ihm eine gute Genesung und eine schnelle Rückkehr auf das Handballfeld.
Traust Du weiteren Spielern den Sprung in den Profibereich zu?
Bechtold: Das ist unser Auftrag. Und ja, es stehen weitere Spieler in den Startlöchern, die das Zeug zum Bundesligaspieler haben und es in den Profikader schaffen können. Wir machen zu 100 Prozent unsere Hausaufgaben und entwickeln die jungen Spieler zu leistungsfähigen Handballern heran. Wir müssen den eigenen Spielern einfach weiter das Vertrauen schenken.
Das war der erste Wunsch, gibt es für 2022 und die Zukunft noch weitere?
Bechtold: In erster Linie, dass ein weiterer Lockdown vermieden wird und die Corona-Pandemie nicht noch weitere negative Auswirkungen hat. Sportlich betrachtet wünsche ich unseren Spielerinnen und Spielern Verletzungsfreiheit und gern weitere eigene ausgebildete talentierte Handballer in unserem Bundesligakader. Es sind heutige Führungsspieler wie Uwe Gensheimer und Patrick Groetzki, die aus der Region stammen, die für das positive Image der Rhein-Neckar Löwen sehr wichtig und hinsichtlich der eigenen Nachwuchsarbeit absolute Aushängeschilder sind.