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„Wir können es schon gegen Hamburg besser machen“

Löwen-Coach Ola Lindgren im Interview

Ola Lindgren weiß, welche Aufgabe bei den Rhein-Neckar Löwen auf ihn wartet – nicht nur in den nächsten Wochen, sondern auch in den kommenden Jahren. Denn die Badener wollen an die nationale und internationale Spitze und erwarten viel von ihrem neuen Coach. Vielleicht passt es deshalb gerade gut, dass Lindgren zu den unaufgeregten Übungsleitern gehört und als Schwede „von Haus aus“ ruhig und besonnen ist. Der 45-Jährige arbeitet viel lieber mit seiner Mannschaft, als sich vom hohen Erwartungsdruck im Löwenumfeld verrückt machen zu lassen. Und das ist gut so, denn aus vielen neuen Spielern muss er schnellstmöglich eine funktionierende Einheit formen. „Das ist schwer“, weiß der Coach, der gerne bei einer Runde Golf abschaltet und frische Kräfte tankt. In den kommenden Wochen dürfte dafür wenig Zeit sein, denn jetzt beginnen die englischen Wochen mit vielen wichtigen Begegnungen.

Herr Lindgren, am Freitag stellt sich mit dem HSV Hamburg ein Titelkandidat in der SAP ARENA vor. Wie wollen Sie die starken Hanseaten bezwingen?

Der HSV hat das gleiche Niveau wie der THW Kiel und ist deshalb eine große Mannschaft. Das Team ist in seiner Entwicklung etwas weiter als wir, weil sie schon länger daran arbeiten, den Titel zu holen. Ich bin davon überzeugt, dass sie irgendwann Deutscher Meister werden.

Das hört sich nicht gut an hinsichtlich des  Spielausgangs.

Im Sport gibt es immer Möglichkeiten, das ist auch heute so. Außerdem haben wir auch einen guten Kader und spielen vor unseren tollen Fans. In der SAP ARENA haben die Löwen in den zurückliegenden Jahren gegen die Hamburger immer gut ausgesehen. Und daran soll sich nichts ändern. Wir sind ganz sicher in der Lage, den HSV zu schlagen.

Sie sind seit Mitte Juli bei den Löwen. Hatten Sie schon Zeit, sich persönlich einzuleben?

Natürlich ist gerade in der Vorbereitung wenig Zeit, aber ich fühle mich hier in der Gegend schon wohl. Ich habe vor knapp zwei Wochen mein neues Haus in Heidelberg bezogen und außerdem ist meine Familie am zurückliegenden Wochenende gekommen. Das ist für mich natürlich auch wichtig.

Was schätzen Sie besonders an der Rhein-Neckar-Region?

Es war bisher sehr heiß hier. Das bin ich als Schwede nicht gewohnt und auch in Nordhorn war es eigentlich immer ein paar Grad kühler. Aber daran kann man sich gewöhnen und es hat auch einen Vorteil, denn ich bin leidenschaftlicher Golfer und bei dem Wetter beginnt die Golfsaison ein paar Wochen früher und dauert auch ein paar Wochen länger.

Hatten Sie schon Gelegenheit, hier zu spielen? Und welches Handicap haben Sie?

Ich habe das Handicap 11,4 und war schon auf der Anlage in St. Leon. Das ist ein sehr schöner Golfplatz, Kent-Harry Andersson und ich hatten viel Spaß dort. In den nächsten Wochen werde ich aber wohl wenig Zeit haben, um noch ein paar Runden zu spielen, denn es warten viele Aufgaben auf uns.

Nach dem Start in der Bundesliga geht es jetzt auch im DHB-Pokal und in der Champions League los. Ist  die Mannschaft gut vorbereitet für den Tanz auf drei Hochzeiten?

Das glaube ich schon. Wir haben in der Vorbereitungsphase gut und viel trainiert und sowohl in den Bereichen Ausdauer und Kraft gearbeitet als auch die Integration der neuen Spieler vorangetrieben. Damit bin ich sehr zufrieden. Leider hat uns die Verletzung von Grzegorz Tkaczyk zurückgeworfen, außerdem konnte Guðjón Valur Sigurðsson in Teilen der Vorbereitung nicht mittrainieren.

Wie bewerten Sie die Entwicklung der Mannschaft?

Ich glaube, wir werden jeden Tag ein bisschen besser. Das Zusammenspiel zwischen den Torhütern und der Abwehr steigert sich stetig und im Bereich Gegenstoß haben wir uns ebenfalls verbessert. Ich habe ein neues Spielkonzept eingeführt und denke, dass wir das immer besser umsetzen. Aber es ist normal, dass man dafür Zeit benötigt. Für die Details und die Laufwege muss das Verständnis untereinander gegeben sein und bei so vielen neuen Spielern geht das nicht in Rekordzeit. Aber das wissen wir und werden deshalb nicht nervös, denn wir sind auf dem richtigen Weg.

Auffällig sind die Schwankungen, denen Ihr Team unterlegen ist. Beunruhigt Sie das?

Ich wäre froh, wenn es bereits anders wäre. Wir sind in unserem Spiel noch nicht konstant genug. Wir haben sehr gute Phasen, aber auch schwache Momente. Allerdings denke ich, dass wir uns auch in diesem Bereich steigern. In Kiel wurden uns aber die Schwächen gnadenlos aufgezeigt, immerhin können wir daraus viel lernen und das schon gegen Hamburg besser machen.

Ist es angesichts der Entwicklung der Mannschaft ärgerlich, dass Sie gleich zu Beginn gegen Kiel und Hamburg ran müssen?

Ich rege mich nicht über den Spielplan auf. Es ist immer schwer, gegen den THW oder den HSV zu spielen, unabhängig vom Spieltag. Immerhin wissen wir so, woran wir noch arbeiten müssen. Starke Gegner bringen eine Mannschaft immer schneller voran, als wenn die Fehler von Siegen gegen schwächere Kontrahenten überdeckt würden.

Haben sich bei den Rhein-Neckar Löwen Ihre Erwartungen bislang erfüllt?

Absolut. Ich wollte zu einem Topklub wechseln und bei den Löwen habe ich alle Möglichkeiten, die sich ein Trainer wünschen kann. Die Trainingsbedingungen sind ideal, das Umfeld ist toll. Wir haben die SAP ARENA, das ist eine tolle Festung für uns und ich habe die Möglichkeit, mit den besten Spielern zusammen zu arbeiten. Zudem hat der Klub hochgesteckte Ziele, das passt zu mir. Ich bin sehr froh, in den kommenden Jahren bei den Löwen arbeiten zu können.

Im Umfeld des Klubs träumt man davon, einen Titel zu gewinnen. Der Druck ist also sehr hoch für Sie?

Das ist kein Problem, denn ich stecke mir selbst ja auch Ziele. Und die sind sehr hoch gesteckt, so dass mich die Wünsche der Fans und der Sponsoren nicht überraschen können. Es ist ja normal, dass von einem Titel geträumt wird, schließlich investiert der Verein auch sehr viel und möchte irgendwann dafür belohnt werden.

Die Löwen haben innerhalb von einer Woche zwei neue Spieler verpflichtet. Was waren die Gründe dafür?

Nach der Verletzung von Grzegorz Tkaczyk hat uns die Balance in der Mannschaft gefehlt. Wir hatten mit „Goggi“ Sigurðsson nur noch einen Spieler für die Rückraummitte und selbst der ist eigentlich Linksaußen. Das Risiko war einfach zu groß, da wir jetzt in drei Wettbewerben sehr viele Spiele haben. Jetzt haben wir zwei Spielmacher geholt, die unsere Möglichkeiten deutlich verbessern. Snorri Guðjónsson und Nikola Manojlović haben Qualitäten und werden uns in den kommenden Monaten helfen, uns als Team weiterzuentwickeln.

Wie sieht es auf der Rechtsaußen-Position aus, wo mit Patrick Groetzki nur ein Akteur zur Verfügung steht?

Wir halten die Augen offen, machen uns da aber gar keinen Stress. Ich sehe da aktuell keinen Handlungsbedarf, weil wir auch noch Alexandros Alvanos haben, der auf dieser Position aushelfen kann, obwohl er gelernter Rückraumspieler ist. Wenn sich uns die Chance bietet, da einen guten Mann zu bekommen, tun wir das, aber wir stehen nicht unter Druck.

Sie waren viele Jahre in Nordhorn, ehe sie den Klub nach der Insolvenz verlassen haben. Wie ist der Kontakt zur HSG und wie verfolgen Sie die Entwicklung in der Grafschaft?

Die HSG wird immer eine Herzensangelegenheit für mich bleiben. Ich war immerhin insgesamt elf Jahre dort und der Verein ist mir sehr wichtig. Natürlich verfolge ich noch, was dort passiert, ich habe noch Kontakte zur Geschäftsstelle. In Nordhorn wird es dieses Jahr sehr schwer, da fast alle Akteure den Klub verlassen haben. Ich drücke der HSG die Daumen, dass sie sich wieder berappelt.

Mit Bernd Rigterink ist der langjährige Nordhorner Macher jetzt bei den Löwen im Aufsichtsrat tätig. Freut Sie das?

Ich hatte immer einen guten Kontakt zu ihm und bin sehr froh, dass er jetzt auch bei den Löwen engagiert ist. Bernd ist ein handballverrückter Mensch und es kann nur gut sein, wenn so jemand bei den Löwen mitmacht.