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Zwillinge ohne Zärtlichkeiten (MM)

Mannheim. Sie wuchsen gemeinsam auf, sie spielten lange Zeit in einer Mannschaft, sie haben großen Respekt voreinander – doch heute (19.45 Uhr) nehmen Philipp Müller von der HSG Wetzlar und sein Zwillingsbruder Michael von den Rhein-Neckar Löwen keine Rücksicht aufeinander, wenn ihre beiden Klubs in der Handball-Bundesliga um Punkte kämpfen. Beide wollen unbedingt gewinnen.

Wetzlar gegen Löwen, Michael Müller gegen Philipp Müller. Das ist doch mehr als ein normales Spiel für Sie, oder?

Michael Müller: Auf jeden Fall. Ein Duell gegen meinen Bruder ist immer etwas Besonderes. Wir telefonieren jeden Tag, kennen uns ein Leben lang. Ich bin über seine Stärken und Schwächen im Bilde. (lacht)

Philipp Müller: Mir geht es genauso. Die meiste Zeit in unserem Leben spielten wir in der gleichen Mannschaft, seit einigen Jahren ist das aber nicht mehr so. Es ist schon ein wenig ungewohnt, Michael in einem anderen Trikot zu sehen. Aber das ist eben unser Beruf.

Ihre Familie wird in der Halle sein. Welchem Klub gehören die Sympathien?

M. Müller: Unserer Mutter würde es schwerfallen, sich zu entscheiden. Sie ist mit Leidenschaft und Emotionen dabei, drückt aber beiden die Daumen.

Ph. Müller: Wenn wir beide gesund bleiben und jeweils ein richtig gutes Spiel machen, ist sie sicherlich zufrieden.

Michael ist Linkshänder, Philipp ist Rechtshänder, weshalb Sie auf dem Feld direkt gegeneinander spielen. Nimmt man da Rücksicht aufeinander oder sind Rechnungen aus früheren Duellen offen?

Ph. Müller: Nein, nein, ich will einfach nur gewinnen. Es gibt keine offenen Rechnungen.

M. Müller: Doch, doch, die gibt es schon. Als ich mit meinem ehemaligen Verein Großwallstadt gegen Philipps Ex-Klub Balingen gespielt habe, ist mir die ganze Begegnung über nichts passiert. Der Einzige, der mir einen Schlag ins Gesicht verpasst hat, war mein Bruder. Das bekommt er garantiert noch zurück. (grinst)

Ph. Müller: Das war keine Absicht. Es ist ein wenig blöd gelaufen, dass es ausgerechnet ihn getroffen hat. Aber dann blieb mir in dieser Situation wohl nichts anderes übrig. Ich spiele für meinen Klub und nicht für meinen Bruder.

Michael, Sie gelten als lustiger Zeitgenosse und wurden fünf Minuten früher als Philipp geboren. Sind Sie auch der Vernünftigere?

M. Müller: Was den Spaßfaktor angeht, ist mein Bruder noch eine Steigerung von mir. Auf jeden Fall trage ich als der Ältere die Verantwortung für uns beide. Leider mögen einige aus meiner Mannschaft den Philipp wegen seiner harten Spielweise nicht so sehr. Da muss ich ihn immer in Schutz nehmen. Er ist nämlich kein böser Mensch.

Ph. Müller: Es kann schon sein, dass Michael ein wenig gescheiter ist als ich. Er hat ja auch Abitur und ich nur Fach-Abi. Was meine Spielweise angeht: Ich freue mich über die Fürsprache meines Bruders, aber ich bin nicht unfair. Michaels Teamkollege Oliver Roggisch ist auch nicht beliebt, bei dem geht es genauso zur Sache. Nur wird bei ihm vielleicht ab und zu ein Auge zugedrückt, weil er Nationalspieler ist. Ich verfolge eine klare Linie: Egal, wie hart es auf dem Feld zugeht – wenn die Partie abgepfiffen wird, ist alles vergessen.

Wie lautet die schönste Verwechslungsgeschichte, die Sie beide erlebt haben.

M. Müller (lacht laut): Das war in Großwallstadt, als wir beide noch dort gespielt haben. Man mag es kaum glauben, dass ausgerechnet unser Trainer Michael Roth damals in der Videobesprechung häufiger den falschen Müller angesprochen hat. Das war extrem witzig, als er mich anschaute und meinen Bruder meinte.

Ph. Müller (lacht noch lauter als sein Bruder): Vor allem mussten wir deshalb so lachen, weil Michael Roth ja selbst Zwilling ist. Er hätte es doch wissen müssen, wie das ist, wenn man verwechselt wird.

Seit drei Jahren spielen Sie nicht mehr zusammen in einem Klub. Hat sich Ihr Verhältnis verändert?

M. Müller: Nein, wir stehen in ständigem Kontakt. Philipp ist sehr wichtig für mich, das habe ich gemerkt, als ich in der vergangenen Saison so viel Verletzungspech hatte. Damals war er ganz nah an meiner Seite.

Ph. Müller: Wir sind Zwillinge, da liegt es in der Natur der Sache, dass wir uns so gut verstehen. Als bei Michael vor einem Jahr das Kreuzband beim Spiel in Magdeburg gerissen ist, saß ich vorm Fernseher und war schockiert. Mir ist es eiskalt den Rücken heruntergelaufen. Umso mehr freue ich mich, dass er den Weg zurück bis in die Nationalmannschaft geschafft hat. Das ist der verdiente Lohn für seine harte Arbeit.

Von Marc Stevermüer