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Storm: So etwas ist nicht zu erklären

Karlsruhe. „Blamage, Desaster, Katastrophe“, es fielen unschöne Worte am Donnerstagabend in der Karlsruher Europahalle. Die Tribünengästewaren restlos bedient, verschafften sich Luft, pfiffen sich teilweise die Seele aus dem Leib. Sie konnten einfach nicht glauben, was sie gesehen hatten. Anstatt des anvisierten Handballfests gegen den französischen Außenseiter, boten die Badener ein Trauerspiel. Das 31:31 gegen Chambéry war eine Mogelpackung: Vor allem in der Schlussphase präsentierten sich die Löwen ideenlos, ohne Konzept.

Dementsprechend peinlich war der Auftritt der Protagonisten dann auch, dem Trainerstab sowieso. Kent-Harry Andersson zum Beispiel, die Frohnatur im Löwengehege, hatte sein Lächeln verloren. Gedemütigt schlich er davon: Der Blick leer, die Schultern hängend, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben. Völlig enttäuscht, völlig in sich gekehrt. Auch Thorsten Storm, der kühle Blonde aus dem hohen Norden, musste sich erst einmal sammeln. Er zückte sein Handy, telefonierte sich den Frust von der Seele. Oder war’s gar eine Art Abwehrhaltung, schließlich hatten ihn die regionalen Pressevertreter längst umkreist, warteten gespannt auf das Resümee des Chefs.

Und das Warten lohnte sich. Der 45-Jährige war alles andere als sprachlos, er redete Klartext: „So etwas ist nicht zu erklären, das ist einfach nur enttäuschend.“ Den Gang zur Pressekonferenz ersparte sich Storm aber dann doch lieber: „Das lasse ich heute sein, sonst…“, grummelte er und verabschiedete sich in eine für ihn sicher unruhige Nacht. Denn seit Donnerstag ist eines so gut wie klar: Das anvisierte Vorrundenziel, sprich der Gruppensieg, ist fast schon Geschichte. Der beeindruckende Heimsieg gegen Veszprém war wohl für die Katz! Mit den beiden unnötigen Unentschieden gegen Kielce und Chambéry hat man sich selbst von der Pole-Position gedrängt. Und das als vermeintliches Zugpferd der Gruppe, als Halbfinalist des Vorjahres.

Am Weiterkommen an sich, zweifelt natürlich trotzdem niemand: Von sechs Mannschaften pro Gruppe qualifizieren sich vier (!) fürs Achtelfinale, was den Sinn und die Attraktivität einer solchen Vorrunde ernsthaft in Frage stellt. Sei’s drum, es gab am Donnerstag tatsächlich auch Grund zur Freude. Die Fans von Andrej Klimovets atmeten auf. Der eigentlich bereits Aussortierte, für den bis zum Sommer händeringend ein neuer Arbeitgeber gesucht wurde, rückte nach seiner Verletzung wieder ins Rampenlicht. Schön für „Klimo“, ganz bitter für Carlos Prieto. Denn der spanische Kreis-Torero, der mit so viel Vorschusslorbeeren aus der Liga ASOBAL in die badische Manege kam, ist mittlerweile nach Bjarte Myrhol, Klimovets und Oliver Roggisch nur noch vierte Wahl. Auslaufmodell nennt man so etwas.

Doch auch der dreifache Champions-League-Sieger hätte mal wieder eine Bewährungschance verdient: Sein Deutschland-Gastspiel war bislang keineswegs nur von Schatten geprägt, es gab auch Licht. Gerade beim Bundesliga-Hit in Kiel zählte der 29-Jährige zu den Aktivposten. „Für mich war er in Kiel mit der Beste überhaupt“, betont Ex-Löwen Trainer Wolfgang Schwenke, der damals persönlich in der Ostseehalle vorbei schaute, im RNZ-Gespräch. Eine Wende im Fall Prieto ist trotzdem eher unwahrscheinlich. Nach Informationen dieser Zeitung wurde ihm längst das Vertrauen entzogen. Ein kostspieliges Missverständnis.

Morgen droht Prieto nun die Tribüne: Beim Bundesliga-Duell gegen Gummersbach (LANXESS-Arena, 17.45 Uhr) rückt erstmals Thomas Bruhn in den Kader. Und für den dänischen Rechtsaußen müssen zwei Asse weichen. Beim Altmeister werden die Trauben höher als zuletzt hängen: „Die sind stärker als Chambéry“, sagt Storm. Patrick Groetzki nickt: „Gummersbach hat einen guten Lauf.“ Den hatten die Löwen auch – zumindest vor der Länderspielpause…

Von Daniel Hund

 06.11.2009