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Andy Schmid: „Für die Deutschen ist noch alles möglich“
Löwen-Spielmacher und -Co-Kapitän zieht Zwischenfazit zur Europameisterschaft
Von der EHF EURO 2020 als EM der Überraschungen zu sprechen, wäre maßlos untertrieben. Mit Frankreich und Dänemark sind die überragende Mannschaft des vergangenen Jahrzehnts sowie der Top-Favorit auf Europas Krone nach der Vorrunde auf dem Nachhause-Weg. Mit-Favoriten wie Schweden und Deutschland sind froh, überhaupt noch dabei zu sein. Außenseiter wie Island, Ungarn und Slowenien, die vor Turnierstart auf keiner Titelrechnung standen, spielen sich in den Vordergrund. Das verwundert auch einen ausgewiesenen Fachmann wie Andy Schmid.
Der Co-Kapitän und Spielmacher der Rhein-Neckar Löwen beschäftigt sich weit über sein eigenes Spiel hinaus mit den Entwicklungen in seiner Sportart. Absehbar, was bei dieser EM los sein würde, sei es aber auch für ihn nicht gewesen. „Damit konnte man nicht rechnen“, sagt Andy Schmid mit Blick auf das sensationelle Vorrunden-Aus von Frankreich und Dänemark. Sein Schluss daraus: „Die Mannschaften sind noch enger zusammengerückt, was sicherlich das Augenscheinlichste ist bei diesem Turnier – und dazu noch eine Parallele zur Bundesliga.“
„Erwartungen mehr als erfüllt“
Dass mittlerweile nicht nur 8 bis 10, sondern 15 bis 17 Nationen konkurrenzfähig sind bei einer Europameisterschaft, verblüfft den Schweizer. Eine Ursache dafür sieht er in der Regeländerung beim sogenannten Passivspiel: „Angriffe können länger und zielgerichteter ausgespielt werden, das kommt vor allem den nominell schwächer besetzten Mannschaften entgegen.“ Notwürfe, wie sie früher bei angezeigtem Zeitspiel häufig genommen worden seien, gäbe es durch die Regel mit den sechs verbleibenden Pässen fast gar nicht mehr.
Auf seine persönliche Turnierbilanz angesprochen, zeigte sich der fünffache Bundesliga-MVP zufrieden: „Für mich haben sich die Erwartungen mehr als erfüllt. Das Gefühl, im Januar bei den Großturnieren immer nur zuschauen zu können, bin ich endlich los. Bei der EM dabei zu sein, das war schon sehr eindrucksvoll. Zu sehen, wie sich das auf eine ganze Nation überträgt und sich sogar bei uns in der Schweiz eine Zeitlang alles um Handball dreht – das war schon extrem schön mitzuerleben.“
Rang drei in der Gruppe (Niederlage gegen Schweden und Slowenien, Sieg gegen Polen) und das vorzeitige EM-Aus nach der Vorrunde, damit kann Andy Schmid leben: „Wir hatten eine schwierige Gruppe erwischt, die war eine Stufe zu hoch für uns. Gleich im ersten Spiel gegen Gastgeber Schweden ranzumüssen, war unglücklich. Und Slowenien gehört ja schon traditionell zu den Geheimfavoriten – da hat uns dann auch ein Stück gefehlt.“ Der Sieg gegen Polen im zweiten Spiel sei umso wichtiger gewesen, um das Handball-Feuer in der Schweiz am Brennen zu halten: „Was wir für eine Aufmerksamkeit und Medienpräsenz erfahren haben, das war schon ein immenser Fortschritt für uns.“
Norwegen Top-, Slowenien Geheim-Favorit
Apropos Fortschritt. Die deutsche Handball-Nationalmannschaft sieht er vor Beginn der Hauptrunde in einer ordentlichen Ausgangsposition: „Für die Deutschen ist noch alles möglich. Das Spiel gegen Kroatien am Samstag wird entscheidend dafür sein, ob sie es ins Halbfinale schaffen. Die Zusammensetzung der Gruppe ist jedenfalls schon einmal gut für das DHB-Team.“ Top-Favorit seien die Deutschen für ihn aber nicht, so Schmid weiter. Er setzt auf Norwegen sowie auf Slowenien als nicht mehr ganz so geheimem Geheimtipp.
Am Donnerstag startet die Hauptrundengruppe I in Wien mit den Duellen Spanien gegen Tschechien (16 Uhr), Kroatien gegen Österreich (18.15 Uhr) und Deutschland gegen Weißrussland (20.30 Uhr). Das spanische Spiel gibt es auf sportdeutschland.tv, das kroatische auf Eurosport und das deutsche Spiel zur Primetime ab 20.15 Uhr im Ersten (ARD) zu sehen. Mit dabei im DHB-Kader wird dann Johannes Golla sein, den Bundestrainer Christian Prokop für Marian Michalczik ins EM-Team berufen hat.