Veröffentlichung:

Auch ohne Auto gleich voll in Fahrt (MM)

Handball: Neuzugang Kim Ekdahl du Rietz überzeugt bei seinen ersten Auftritten im Löwen-Trikot und wird in Ilsenburg zum besten Turnierspieler gewählt

Ilsenburg. Lässig lehnt Kim Ekdahl du Rietz an der Balustrade. Das Trikot hat er ausgezogen, die langen Haare zu einem Dutt zusammengebunden. Der Schweiß läuft an seinem durchtrainierten Oberkörper herunter – und schon kommen die ersten Autogrammjäger auf ihn zugestürmt. Hier eine Unterschrift, da ein Foto. Beim Vorbereitungsturnier der Rhein-Neckar Löwen in Ilsenburg lernt der Neuzugang schnell, im Rampenlicht eines Handball-Bundesligisten zu stehen.

Geduldig erfüllt der Schwede jeden Wunsch, er lächelt und flachst. Nur mit der deutschen Sprache hapert es noch ein wenig – was nur allzu verständlich ist. Denn viel Zeit ist ihm in den vergangenen Monaten nicht geblieben, sich auf ein neues Land, einen neuen Klub, eine neue Sprache einzustimmen. Aber Englisch – das lehrt die Erfahrung – geht bei Skandinaviern immer. „Ich bin am Dienstagabend nach Heidelberg gekommen, am Mittwoch habe ich erstmals mit der Mannschaft trainiert“, berichtet der Rechtshänder, der mit der schwedischen Auswahl bei den Olympischen Spielen überraschend die Silbermedaille gewann: „Ich bin zwar sehr stolz auf diesen zweiten Platz. Aber wer im Finale steht und es dann auch nur mit einem Tor gegen Frankreich verliert, der hätte auch gerne Gold gehabt.“ Beschweren will er sich aber keinesfalls: „Silber ist viel mehr, als von uns erwartet werden durfte.“

„Wollte zeigen, was ich kann“

In London gehörte Ekdahl du Rietz zu den auffälligsten Akteuren seiner Nationalmannschaft. Und auch bei den Löwen macht er von Beginn an richtig Dampf. 13 Treffer gelingen ihm am ersten Turniertag in Ilsenburg bei den zwei Siegen über Haslum HK aus Norwegen und die Kadetten Schaffhausen (jeweils 33:26), im Finale gegen den Ligarivalen SC Magdeburg (28:25) gestern legt er noch einmal acht Tore nach, was ihm die Wahl zum besten Turnierspieler einbringt. „Ich bin richtig glücklich, dass es gleich so gut für mich läuft. Das waren meine ersten Spiele für die Löwen und ich wollte sofort zeigen, was ich kann“, sagt der 23-Jährige und räumt ein, vor seinem Debüt im badischen Trikot ein wenig nervös gewesen zu sein.

Zu sehen ist davon allerdings nichts. Ekdahl du Rietz übernimmt gleich Verantwortung: Mit Kraft, Dynamik und Tempo läuft er furchtlos auf die Abwehrreihen zu, scheut keine Schmerzen – und schweißt den Ball mit Wucht und Präzision mehrfach im Tor ein. Keine Frage: Besser hätte der Einstand kaum ausfallen können. „Kim ist eines der größten Talente auf seiner Position und als Typ ein Exot. Aber er ist ein Mensch zum Anfassen“, freut sich Manager Thorsten Storm über den Neuzugang ebenso wie Trainer Gudmundur Gudmundsson: „Kim kann unser Mann für die einfachen Tore aus dem Rückraum werden.“

Klar ist: Dem Kraftpaket winkt eine große Karriere, erst vor einem Jahr war er von seinem Heimatverein Lugi HF zu HBC Nantes nach Frankreich gewechselt. Jetzt soll bei den Löwen der nächste Schritt folgen. „Ich würde nicht sagen, dass ein Traum wahr geworden ist. Ich bin kein Träumer-Typ, sondern schaue von Tag zu Tag“, sagt Ekdahl du Rietz, der als Siebenjähriger mit dem Handball anfing, die Harzkugel aber nach einem Jahr wieder weglegte. Ein Freund überredete ihn danach, es doch noch einmal mit Handball zu probieren und nahm ihn mit zum Training: „Seit ich zwölf Jahre alt bin, habe ich mich nur noch auf diesen Sport konzentriert.“

Mit Erfolg: Bereits als 16-Jähriger feiert der Rückraumspieler sein Erstligadebüt („In Schweden wurde daraus kein großer Hype gemacht, die Medienlandschaft ist ganz anders als in Deutschland“). Und neben seinen Leistungen macht er prompt auch mit seiner Schuhgröße 51 auf sich aufmerksam. „Ich denke, ich habe alle Witze zu diesem Thema gehört“, sagt der 23-Jährige und lacht: „Das Thema verfolgt mich schon mein Leben lang. Als ich ein Kind war, fand ich das lästig. Jetzt kümmere ich mich nicht mehr darum. Ohnehin kann ich nicht verstehen, was die Leute an meinen Füßen so interessant finden.“ Bei den Löwen wurde er auf jeden Fall noch nicht danach gefragt. Ohnehin fühlt sich der Halblinke nach wenigen Tagen schon richtig wohl in der Kurpfalz. „Alles ist noch viel besser, als ich es mir vorgestellt hatte. Mir wird die Eingewöhnung sehr leicht gemacht und wir haben eine junge Mannschaft mit Perspektive. Das macht Spaß“, meint der Olympia-Zweite, der in Heidelberg lebt und zum Essen schon den einen oder anderen Abstecher in die Stadt gemacht hat: „Wundervoll, einfach wundervoll.“

Zum Training nach Kronau fährt er zusammen mit Andy Schmid, der in Niklas Landin noch einen weiteren Neuzugang in seinem Pkw mitnimmt. „Niklas und ich haben noch kein Auto. Andy ist unser Taxifahrer“, scherzt der Schwede, hinter dem mit WM-Qualifikation, Olympischen Spielen und Umzug nach Heidelberg ein anstrengender Sommer liegt: „Die Pause war kurz, das ist richtig. Aber ich war bei Olympia, das ist besser als Urlaub.“

Von Marc Stevermüer