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Auf einem sehr guten Weg (RNZ)

Mannheim. Seine Augen wanderten von links nach rechts, vom Boden bis zur Decke. Goran Stojanovic, der Torhüter der Rhein-Neckar Löwen, war am Samstagnachmittag in der SAP Arena auf der Suche nach Halt, nach einem Fixpunkt. Er stand in der Mixed Zone. Genau dort, wo die Stimmung vor rund zehn Tagen, als der HSV Hamburg an gleicher Stelle erlegt wurde, bestens war. Diesmal war das anders. Der Treffpunkt für Journalisten und Spieler wirkte kühl und steril. Der Kabinenvorraum glich einer gelben Gruft. Einem Ort, an dem endgültig Abschied von einem perfekten Löwen-Saisonstart genommen wurde. Zügig ging es raus und rein. Staugefahr? Nicht am Samstag! Unmittelbar nach der Kiel-Pleite stellte sich nur einer: Stojanovic, der Hexer. Er analysierte, er philosophierte und ja, phasenweise schwang da auch ein wenig Verzweiflung mit. Gerade die Abwehrleistung stimmte ihn nachdenklich. „Hinten haben wir im Laufe des Spiels leider stark nachgelassen“, seufzte der Montenegriner, „Henning Fritz und ich haben viel zu viele freie Würfe aufs Tor bekommen, als Torwart hast du es dann einfach sehr, sehr schwer.“ Und schwupps war auch er weg, entwischt in Richtung Dusche.

Wenig später und ein Stockwerk höher konnte dann aber auch er wieder lächeln. Im Business-Club wurden die Kohlehydratspeicher wieder aufgefüllt. Bei Reis, Fleisch und noch mehr Nudeln. Erlaubt war der Stimmungswechsel, weg vom Trübsal hin zur guten Laune. Schließlich hat es das Rudel nicht gegen irgendwen erwischt. Es war Kiel, der Titelhamster, die Stars von der Ostsee, die nach Mannheim kamen, sahen und siegten. Leicht machte man es ihnen aber nicht: Der Riese aus dem hohen Norden wankte, fiel nur nicht. Gudmundur Gudmundsson nahm das zur Kenntnis. Und bei all der Enttäuschung über die zweite Saisonpleite, irgendwie war er auch stolz auf seine Jungs. Vor allem auf die ersten zwanzig Minuten. Der Löwen-Trainer: „Da ging unsere Taktik voll auf. Mit der 5:1-Deckung haben wir Kiel überrascht. Kompliment an meine Mannschaft, die das toll umgesetzt hat.“

Und was war mit den restlichen 40 Minuten? Warum dieser Einbruch? Gute Frage, schnelle Antwort? Nicht mit Gudmundsson. Hier ist man nämlich bei etwas Grundsätzlichem angelangt.Einem Problem, das zurzeit immer da ist. Spiel für Spiel, Woche für Woche. Es liegt am Kader: „Hier hat Kiel klare Vorteile. Sie können permanent durchwechseln: Wir nicht!“, zuckt der Isländer mit den Schultern und beginnt zu rechnen: „Zehn Feldspieler, mehr habe ich zurzeit doch nicht.“

Ideal wären 12 oder 13, sagt er. Besserung ist jedoch in Sicht. Zumindest bei Rückraum-Granate Krzysztof Lijewski. Laut Gudmi könnte er schon am Dienstag beim TBV Lemgo wieder auf der Platte stehen. Bei Rechtsaußen Ivan Cupic (Schulter) und Kreisläufer Bjarte Myrhol (Hodenkrebs) verhält sich die Sache anders. Cupic fehlt mindestens noch sechs Wochen und die Rückkehr von Myrhol ist nicht datierbar. „Das sind absolute Weltklasseleute, die da ausfallen“, grübelt Gudmundsson, „und das in einer Zeit, die es in sich hat.“ Stimmt. In den letzten Wochen kam es knüppeldick: Das Kiel-Duell war die achte Partie in 21 Tagen – ein Monsterprogramm. Gudmundsson nickt: „Zudem waren es fast ausnahmslos Spiele, in denen es um alles ging.“ Und das mit diesem Rumpfkader. In den letzten Jahren, als der Löwen-Rubel noch rollte, wäre so etwas undenkbar gewesen. War Not am Mann, wurde nachgelegt: Neue Spieler sprangen ein, ersetzten die Patienten. Der HSV Hamburg hat das nun auch mal wieder getan. Renato Vugrinec, 36, ein Slowene, kommt von Al-Sadd Doha und bleibt bis zum Saisonende, um den Ausfall von Marcin Lijewski zu kompensieren. Vielleicht legen die Löwen ja auch noch mal nach? Gudmundsson schüttelt mit dem Kopf: „Finanziell ist das nicht drin.“ Glücklich sieht er nicht aus, als er das sagt. Aber das darf nicht falsch interpretiert werden. Jammern ist nicht sein Ding. Im Gegenteil: Für ihn ist es eine Herausforderung. Er sagt: „Ich konzentriere mich auf die Spieler, die ich zur Verfügung habe, alles andere bringt ohnehin nichts. Und ich finde, dass sich die Mannschaft auf einem sehr guten Weg befindet.“ Widerspruch zwecklos. Der Ball läuft, die Angriffe rollen, die Abwehr steht. Kurzum: Es macht Spaß diese Sieben spielen zu sehen. Bislang mit einer – völlig unnötigen – Ausnahme. Gemeint ist der 17. September, die Schmach von Hannover. Ein richtig frustrierender Abend war das. Gudmundsson, der Nachdenkliche: „Und das, obwohl ich im Vorfeld ausdrücklich gewarnt hatte, das war einfach nur ärgerlich. Ohne ein gewisses Maß an Konzentration geht es eben nicht.“ Mal sehen, ob die Gelbhemden daraus gelernt haben. Morgen im Lemgo herrscht jedenfalls bereits wieder erhöhte Stolpergefahr. Gut, Lemgo ist nicht gleich Hannover, aber eben auch nicht mehr das Lemgo, das sich einst zwei Mal zum nationalen Titel geworfen hatte. Letzte Woche blamierte sich der TBV im DHB-Pokal sogar bis auf die Knochen. Der dreimalige Pokalsieger kassierte ein 30:41 bei den Zweitliga-Ballwerfern aus Nordhorn. Und gerade das bereitet Gudmundsson Kopfzerbrechen: „Die werden jetzt besonders heiß sein. Der Zeitpunkt des Spiels ist sicher nicht optimal.“ Für den Taktikfuchs zählt trotzdem nur ein Sieg. Angst, dass seine Pläne erneut durch Konzentrationsschwankungen durchkreuzt werden könnten, hat er nicht. Er packt seine Stars bei der Ehre: „Hoffentlich“, sagt er, „hoffentlich passiert so etwas wie in Hannover nie mehr.“

Von Daniel Hund