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Auf geht’s zum Favoritenschreck

Heidelberg. Eigentlich ist es ein Abstecher, der für Einbahnstraßen-Handball prädestiniert ist: Rhein-Neckar Löwen gegen Großwallstadt, Dritter gegen den Zehnten, nationale Spitze gegen Mittelmaß. Auf die Badener wartet morgen um 20.15 Uhr die Pflicht, nicht die Kür. Zwei Zähler müssen her, klar und deutlich. Quasi im Vorbeigehen, ohne größere Anstrengungen. Alles richtig, aber eben auch nur die halbe Wahrheit: Die „frankenstolz arena“ ist nämlich keine Schießbude und der TVG keine Thekenmannschaft. Gerade gegen die Großen der Liga legt der Bundesliga-Dino das Graue-Maus-Image ab. Zuletzt mussten selbst Kiel und der HSV Hamburg dran glauben. Zunächst war da der historische Triumph an der Ostsee – die erste Heimpleite des THW nach 1239 Tagen –, dann folgte das Unentschieden gegen die Hansestädter.

Drei Punkte gegen die Top Zwei, die deutsche Elite. Und im Derby soll nun das nächste Schwergewicht ins Wanken geraten, fallen. Ein heißer Tanz ist vorprogrammiert. Manager Thorsten Storm sagt: „Sie haben mit Mattias Andersson einen der besten Keeper der Liga. Dazu mit Steffen Weinhold, Michael Spatz und Csaba Szucs weitere sehr gute Handballer.“

Doch auch die Gelbhemden sind in Topform. Glänzen, begeistern, machen richtig Spaß. Es läuft, ein Rädchen greift ins andere. Titelverdächtig ist das, aber irgendwie auch seltsam; bei der Unruhe im Umfeld, bei diesen ständigen Negativ-Schlagzeilen, die sich immer um eines drehen: den von Jesper Nielsen anvisierten „totalen Ausverkauf“. Die Handballer um Eiskrieger Gudjon Valur Sigurdsson scheint dies kalt zu lassen. Oder motiviert es sie sogar? Es wirkt fast so. Nämlich so, als wollten sie sagen: „Hey Jesper, wir wollen hier gar nicht weg. Was du vorhast, ist falsch. Wir sind ein verschworener Haufen, der zusammen noch viel vor hat.“ Selbst das Verletzungspech brachte das badische Handball-Flaggschiff zuletzt nicht vom Kurs ab. Ob das so bleibt?

In Großwallstadt könnte es knüppeldick kommen. Es gibt einige Fragezeichen. Genauer gesagt fünf. Hinter Uwe Gensheimer, hinter Michael Müller, hinter Börge Lund, hinter Bjarte Myrhol und seit letzter Woche nun auch hinter Henning Fritz, dem Torwart-Titan, dem Weltmeister von 2007. Hexenschuss lautet hier die Diagnose. „Es passierte im Training“, berichtet Storm: „Aber im Notfall haben wir in Marcus Rominger ja einen tollen Ersatz.“

Stimmt, aber der brennt diesmal nicht auf seinen Einsatz: Fünf Jahre hütete der 38-Jährige bei den Mainfranken das Tor. Erst Ende 2010 machte er Schluss, sagte leise Servus. Beim TVG geniest er Kultstatus und jetzt kehrt er als Gegner zurück? Ausgerechnet im Kasten der Löwen, ausgerechnet mit dem Intimfeind? Schwer vorstellbar, jedoch wahrscheinlich.

An ein geregeltes Training war in der letzten Woche in Kronau nicht zu denken. Dazu fehlten zu viele. Doch Gudmundur Gudmundsson, der Lehrmeister, nutzte die Gunst der Stunde. Der Isländer „testete“ einen neuen Spieler. Einen, der seine Karriere längst beendet hat, den Schreibtisch gegen den Kreis eingetauscht hat: Mittelgroß, mit kurzen blonden Haaren, Linkshänder. Gefragt waren aber eher seine Beine: Thorsten Storm half aus. Beim Fußball. Und kicken kann er, übt regelmäßig. Immer montags, immer mit den Gleichen. Zum Beispiel mit Daniel Hopp. Nach RNZ-Informationen, die sich auf mehrere verlässliche Aussagen seiner Fußball-Kollegen stützen, soll insbesondere das Stormsche Stellungsspiel gefürchtet sein. Kaum jemand kommt beim Feierabend-Kick an ihm vorbei.

Gewisse Parallelen zur Löwen-Defensive sind demnach nicht wegzudiskutieren. Die stand in den letzten Wochen bombensicher. Und das, obwohl meist in einer anderen Besetzung gespielt wurde. Storm nickt anerkennend: „Wenn jemand ausgefallen ist, ist ein anderer eingesprungen. Gudmi macht da eine Super-Arbeit.“ In Großwallstadt soll sich das wieder auszahlen. Denn im Löwen-Lager hätte niemand etwas gegen Einbahnstraßen-Handball einzuwenden.

Von Daniel Hund

 18.04.2011