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Aus einer Vision wird Realität (MM)

Weltrekord-Spiel zwischen Löwen und Hamburg am Samstag / 40 000 Karten verkauft, TV-Übertragung in 45 Ländern

FRANKFURT. Der Wutausbruch von Armin Veh bleibt unvergessen. „So ein Wahnsinn! 20 Millionen Euro teuer – andere bauen dafür ein ganzes Stadion. Und dann darf das nicht zugemacht werden“, schimpfte der ehemalige Trainer des Fußball- Bundesligisten Eintracht Frankfurt vor rund zwei Jahren und meinte damit das Dach der Commerzbank-Arena. Hintergrund seiner Erregung: Aufgrund möglicher Schneelasten darf das Stadiondach in den Wintermonaten von November bis Mai nicht geschlossen werden.

Wie gut, dass die Rhein-Neckar Löwen schon am nächsten Samstag (18.15 Uhr) in der Frankfurter Arena gegen den HSV Hamburg antreten. Das Bundesliga-Spiel bildet den Höhepunkt des „Tag des Handballs“, der schon morgens ab 10 Uhr mit Jugendturnieren beginnt. Vor dem Duell zwischen den Gelbhemden und den Hanseaten steht zudem noch das Promi-Spiel (16.40 Uhr) an.

Bei der Pressekonferenz gestern in der Frankfurter Arena richteten die Verantwortlichen von Klubs, Liga und Verband den Blick aber nicht nur Richtung Samstag, sondern auch in die Höhe. Und siehe da. Das Dach ist schon geschlossen, in den nächsten Tagen wird das Handballfeld verlegt. Und dann kann es endlich losgehen. „Wenn wir gegen den HSV Hamburg spielen, dann geht’s zur Sache“, sagte Thorsten Storm – und hatte dabei vergessen, dass sein Geschäftsführer-Vertrag bei den Rhein-Neckar Löwen elf Stunden zuvor ausgelaufen war. Das „Wir“ – es sitzt noch drin. Vor allem dann, wenn es um sein „Baby“, den „Tag des Handballs“ geht“. Für die Veranstaltung rührte er noch einmal kräftig die Werbetrommel: „Unsere Sportart braucht ein Wir-Gefühl. Wenn man Handball liebt, muss man Samstag dabei sein.“

Denn klar ist: Die ganze Handball-Welt schaut in vier Tagen Richtung Frankfurt, die Partie zwischen den Löwen und dem HSV wird in 45 Ländern im TV übertragen. Gäste aus fast allen europäischen Ligen haben sich angesagt, auch Besuch aus dem WM-Gastgeberland Katar wird erwartet. „Wir geben eine ganz große internationale Visitenkarte ab“, hofft Liga-Geschäftsführer Frank Bohmann auf einen reibungslosen Ablauf und richtet den Blick in die Zukunft: „Diese Veranstaltung schreit schon jetzt nach einer Wiederholung.“ DHB-Präsident Bernhard Bauer sieht das ähnlich, hält eine jährliche Durchführung allerdings für problematisch. Er nimmt sich das deutsche Turnfest zum Vorbild, das alle vier Jahre ausgetragen wird: „Ein Fest muss ein Fest sein.“

Länger als ein Jahr planten die Löwen den „Tag des Handballs“ zusammen mit den Arena-Verantwortlichen. „Jetzt wird Wahrheit, was wir uns vorgestellt hatten“, fiebert Stadion-Chef Patrik Meyer dem 6. September entgegen und kann sich einen kleinen Seitenhieb in Richtung Gelsenkirchen nicht verkneifen: „Wir sind nicht so mutlos wie die Schalker, die vor einigen Jahren die Partie zwischen Lemgo und Kiel in einer Ecke ihrer Arena ausgetragen haben. Bei uns steht das Feld in der Mitte.“ 2004 fand diese Begegnung zwischen TBV und THW vor 30 925 Zuschauern statt, der Weltrekord-Besuch für ein Handballspiel liegt bei 36 651 Fans. Aufgestellt wurde die bisherige Bestmarke im Mai 2011 im dänischen Meisterschaftsfinale zwischen AG Kopenhagen und BSV Bjerringbro-Silkeborg. Doch schon jetzt ist klar: Am Samstag wird ein neuer Weltrekord aufgestellt, 40 000 Tickets wurden verkauft.

„Für uns als Verein ist es eine Herausforderung, auch alle unsere Fans nach Frankfurt zu bekommen“, sagt der neue Löwen-Geschäftsführer Lars Lamadé, der dennoch von einem Heimvorteil ausgeht und im Frankfurter Raum neue Anhänger gewinnen will: „Das ist durchaus unser Einzugsgebiet.“

Wie groß die Vorfreude auf das Spiel des Jahres – zumindest aus Marketing- und Image-Gründen – ist, weiß Löwen-Teammanager Oliver Roggisch. Der zurzeit verletzte Rechtsaußen Marius Steinhauser fragt ihn seit Tagen, ob er sich zumindest auch warm machen darf: „Marius will unbedingt in die Arena einlaufen.“ Zumal auch noch das Dach geschlossen ist. Ein Privileg, das Armin Veh sicherlich gerne einmal erlebt hätte.

Von Marc Stevermüer