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Bereit, Geschichte zu schreiben (MM)

Löwen haben die Meisterschaft vor Augen / Gummersbach will Kiel helfen, Berlin ohne Jaszka zum THW

MANNHEIM. Es war Anfang November. Die Hinspiel-Niederlage im Bundesliga-Topspiel beim THW Kiel lag erst ein paar Tage zurück und die Tabellenführung für die Rhein-Neckar Löwen in weiter Ferne. An die Meisterschaft mochte damals kaum jemand denken, der EHF-Pokalsieger stand auf dem fünften Rang. Doch das alles interessierte Niklas Landin nicht: „Wenn wir nur noch einmal verlieren, ist der Titel möglich.“

Der Ehrgeiz des Torhüters in allen Ehren – aber wirklich daran geglaubt hat wohl niemand. Doch dann folgte die unglaubliche Serie. Die Löwen unterlagen wirklich nur noch in einer Partie (25:38 in Hamburg) und gewannen seitdem 20 Spiele. Zuletzt gelangen 16 Siege in Serie. Und siehe da: Die Badener sind Tabellenführer dank der um sieben Treffer besseren Tordifferenz vor dem punktgleichen THW Kiel. Beim VfL Gummersbach wollen sie heute (16 Uhr/live bei Sport1) die Meisterschale in die Rhein-Neckar-Region holen.

Klar ist: In der restlos ausverkauften Schwalbe-Arena steht den Löwen noch einmal eine harte Prüfung bevor. Die Oberbergischen sind seit vier Spielen ungeschlagen – und obwohl es für sie um nichts geht, unterstrichen sie zuletzt ihren Kampfgeist. Im Auswärtsspiel bei Hannover-Burgdorf lagen die Gummersbacher am Sonntag mit fünf Toren zurück, am Ende hielten sie einen Punkt in der Hand.

„Der VfL ist gut drauf“, hat Löwen-Trainer Gudmundur Gudmundsson Respekt vor dem Gegner, der – so heißt es auf der Internetseite des Traditionsvereins – noch eine „offene Rechnung zu begleichen“ hat. Den Kielern sei man etwas schuldig. Hintergrund: In der vergangenen Saison hielt Gummersbach nur dank eines THW-Sieges am letzten Spieltag in Großwallstadt die Klasse. „Im Sport geht es immer ums Gewinnen. Das hat nichts mit Schützenhilfe zu tun. Aber wir werden uns auch nicht abschlachten lassen, nur um hinterher eine Meisterfeier in der eigenen Arena zu haben“, sagt VfL-Geschäftsführer Frank Flatten. Klar ist auf jeden Fall, dass sich der Tabellenzwölfte sehr wohl in seiner Rolle fühlt. „Wir können das Zünglein an der Waage sein“, meint Torwart Carsten Lichtlein, der wohl verletzt ausfällt.

In Kiel werden sie heute zweifelsohne aufmerksam verfolgen, ob die Gummersbacher tatsächlich die offene Rechnung begleichen – auch wenn sich THW-Trainer Alfred Gislason weiterhin betont gelassen gibt und schon jetzt mit der Saison zufrieden ist. „Ich habe es meiner Mannschaft nicht gesagt. Aber vor dieser Saison war nur die Qualifikation für die Champions League mein Ziel“, sagt der mit allen Wassern gewaschene Isländer: „Ich sehe die Löwen vorne.“ Zwischen dem, was er öffentlich von sich gibt, und dem, was er intern sagt, dürfte allerdings ein Unterschied bestehen. Gegen die Berliner Füchse werden ihm auch die zuletzt angeschlagenen Aron Palmarsson und Filip Jicha zur Verfügung stehen, beide konnten aber nicht trainieren.

Hanning appelliert an sein Team

Personelle Probleme hat allerdings auch der Gegner aus der Hauptstadt, der am Mittwoch ohne Pavel Horak, Konstantin Igropulo und Denis Spoljaric überraschend in eigener Halle gegen den Bergischen HC verlor, wodurch sich der Aufsteiger den Klassenerhalt sicherte. Das Trio ist in Kiel allerdings wieder an Bord, dafür fällt Bartlomiej Jaszka aus. „Wir sind müde, wir sind platt – aber das zählt alles nichts. Wir wissen, was Kiel mit uns vorhat. Aber da gehören immer zwei dazu. Wir werden um jedes Tor kämpfen“, sagt Füchse-Manager Bob Hanning im Gespräch mit dieser Zeitung. Gestern richtete er in der Kabine noch einmal eindringliche Worte an seine Mannschaft, für die es ebenfalls um nichts mehr geht.

„Wir haben den Anspruch, in Kiel zu gewinnen und spielen weder für den THW noch für die Löwen. Wir spielen nur für uns. Das habe ich dem Team auch noch einmal unmissverständlich klar gemacht“, unterstreicht Hanning, dass er keinen Imageschaden für den Pokalsieger duldet. Die Füchse seien ein bodenständiger Verein, der in den vergangenen Jahren viel erreicht und sich reichlich Anerkennung erarbeitet habe: „Ich erwarte, dass uns dieser Respekt auch in der nächsten Runde entgegengebracht wird. Deswegen muss sich bei den Löwen keiner Sorgen machen, dass wir nicht alles geben werden.“

Von Marc Stevermüer