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Bielecki-Festspiele in Kastilien

Valladolid/Heidelberg. Sie träumen einen Traum, tagein, tagaus. Er schlummert in jedem, ganz tief drin. Offen spricht ihn keiner aus. Doch er ist da: Könige von Europa wollen sie werden, die Rhein-Neckar Löwen. Besser als der Rest, besser als der gesamte europäische Handball-Adel. Irgendwann mal soll es soweit sein – möglichst bald. Und wer weiß, vielleicht klappt es ja schon in diesem Sommer mit der Champions-League-Krone. Das Viertelfinale ist bereits in Sichtweite. Am Samstag stieß die Lindgren-Sieben die Tür weit auf: Im Achtelfinal-Hinspiel bei BM Valladolid schossen sich die Badener einen 30:29 (14:14)-Sieg heraus. „Wir haben nun alle Trümpfe in der Hand“, jubelt Löwen-Chef Thorsten Storm. Zum Fäuste ballen ist es aber noch zu früh. Der Manager warnt: „Noch haben wir nichts erreicht. Auch das Rückspiel wird umkämpft sein.“

Die Ausgangsposition ist dennoch verlockend. Und war zudem nicht selbstverständlich: Denn Valladolid stand quasi mit acht Mann auf der Platte. Unglaublich war es, was die Schlachtenbummler auf der Tribüne veranstalteten. Sie verwandelten die Heimspielstätte von BM in einen brodelnden, einen blubbernden Hexenkessel. Storm war beeindruckt vom südländischen Drumherum und hofft am kommenden Sonntag um 17.15 Uhr auf die Antwort der Kurpfalz: „Eine volle SAP Arena wäre gegen diesen Gegner ein toller Rahmen, die Jungs würden diese Unterstützung genießen!“

Werbung in eigener Sache haben die Löwen in Valladolid gemacht. Vor allem einer brüllte laut, richtig laut: Karol Bielecki. Er spielte wie entfesselt auf, vollführte Bielecki-Festspiele in Kastilien. Er hatte die Lufthoheit, traf und traf. Teilweise aus über zehn Metern Entfernung, teilweise schneller als es jede Fernsehkamera einfangen konnte. „Karol war heute eine Waffe, die einfach nicht zu bremsen war. Er hat wieder mal gezeigt, welche Kraft er hat. Das tat ihm gut.“ Storm schmunzelte genüsslich vor sich hin, als er das sagte. Doch da war diesmal mehr als pure Kraft, Bielecki kann es nämlich auch mit Gefühl. Der baumlange Pole hat das Gespür für geniale Momente, die Lizenz zum Zuckerpass.

Aber er war nicht das alleinige Schreckgespenst für die SpanierDie Iberer werden noch andere Löwen-Asse in Erinnerung behalten: Olafur Stefansson zum Beispiel, der Iceman ohne Nerven. (Storm: „Er hat in der Schlussphase die nötige Ruhe reingebracht“). Oder auch Bjarte Myrhol, der Kreisläufer, und Torhüter Slawomir Szmal, der laut Storm nun „zum richtigen Zeitpunkt Selbstvertrauen getankt hat.“ Und einen, der ansonsten eher in der zweiten Reihe steht: Nikola Manojlovic. Storm sah’s ähnlich, verteilte ein Sonderlob: „Nikola ist derzeit ganz wichtig für uns. Er ist aktuell unser heimlicher Abwehrchef.“

Alles in allem war es ein Erfolg des Kollektivs. Und das stand zuletzt stark in der Kritik. Storm kann ein Lied davon singen: Nach dem Hannover-Duell bekam er etliche Mails zugeschickt, in denen sich frustrierte Fans über die schlechte Leistung der Mannschaft beklagten. Der Manager versteht sie, sagt aber auch: „Die Spieler sind nur Menschen, die auch Unterstützung brauchen, wenn es mal nicht so läuft, um wieder besser zu werden. Wenn es läuft, ist es leicht, hinter einem Team zu stehen.“ Nicht vergessen werden darf aus seiner Sicht zudem, dass die Mannschaft Verletzungen von Grzegorz Tkaczyk, Gudjon Valur Sigurdsson und Bjarte Myrhol wegstecken muss und musste. „Und trotzdem sind wir in allen Wettbewerben, in denen es natürlich richtig schwer wird, noch dabei.“

Der Löwen-Tross düste gestern zurück in Richtung Heimat. Storm betrat hingegen schon am Samstagabend wieder heimischen Boden. Jesper Nielsen machte es möglich. Der dänische Aufsichtsrats-Chef der Löwen ließ seinen Privatjet zwischen Deutschland und Spanien hin- und herpendeln. An Bord waren noch ein paar mehr: Bernhard Slavetinsky (Sponsor und Vorstands-Vorsitzender der PSD Bank), Michael Notzon (Geschäftsführer von Goldgas), Jürgen Greulich (Geschäftsführer der Acura Financial Group), Dieter Matheis (Aufsichtsratsmitglied) und Sigurdsson, der verletzte linke Flügelmann.

Alle hatten sich viel zu erzählen. Gut möglich, dass es dabei auch um Andy Schmid ging. Nach neuerlichen Informationen der RNZ, die aus gut unterrichteten Quellen in Dänemark stammen, wird der Mittelmann vom dänischen Spitzenklub Bjerringbro-Silkeborg ab der kommenden Saison das Rudel verstärken. In Kürze soll der Transfer des 26-jährigen Nationalspielers öffentlich gemacht werden.

Von Daniel Hund

 29.03.2010