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Bieleckis größte herausforderung
Mannheim. Die Nachricht ist ein Schock, die Diagnose niederschmetternd. Für die Rhein-Neckar Löwen – aber vor allem für Karol Bielecki. Der polnische Handball-Nationalspieler ist nach einer Verletzung aus dem Länderspiel gegen Kroatien auf dem linken Auge erblindet. „Wir müssen die weiteren Genesungsschritte abwarten. Die jüngsten Untersuchungen ergaben allerdings, dass die Sehkraft auf dem verletzten linken Auge leider nicht zurückkommen wird“, sagte der behandelnde Augenarzt Dr. Thomas Katlun. An ein Karriere-Ende verschwendet Bielecki trotzdem keine Gedanken. „Ich weiß, ich habe eine Chance, die will ich ergreifen“, gibt sich der 28-Jährige bewundernswert kämpferisch: „Ich muss lernen, anders zu leben. Aber ich werde es schaffen. Es liegt noch viel im Leben vor mir.“
Reha beginnt heute
Schon heute beginnt der Rechtshänder mit seinem Reha-Programm. Die Wahrnehmung des gesunden Auges wird geschult, im Vordergrund steht das Koordinationstraining. Keine Frage: Dem Polen stehen harte Wochen und Monate bevor, die ihm alles abverlangen werden. Psychisch und physisch. Für Bielecki ist das eine ungewohnte und neue Situation. Individuelles Aufbautraining, schweißtreibende Übungen ohne Mannschaftskollegen – das kannte der Halblinke bislang nicht: „Elf Jahre lang hatte ich keine Verletzung – und jetzt das.“ Der Rotschopf weiß: Ihm steht die größte Herausforderung seines Lebens bevor. Titel und Triumphe sind plötzlich nur noch eine Nebensache.
Löwen-Manager Thorsten Storm reagierte auf die Hiobsbotschaft mit Entsetzen, sagte seinem Spieler aber volle Unterstützung zu. „Ich bin davon überzeugt, dass Karol diesen schwierigen Kampf annimmt. Wir werden ihm dabei helfen und ihm die bestmöglichen Rahmenbedingungen bieten. Wir lassen ihn in dieser schlimmen Situation nicht allein und hoffen, dass ihm der Weg zurück auf die Platte gelingt“, sagte der Geschäftsführer und ergänzte: „Er hat eine Chance, aber es bleibt die Frage, auf welchem Niveau er zukünftig wieder spielen kann.“
Trotz der traurigen Nachricht gelte es nun jedoch, wieder nach vorn zu schauen, betonte Storm. „Diese Verletzung bedeutet in erster Linie ein großes Unglück für den Menschen Karol Bielecki. Erst weit dahinter kommt der Verein. Sein Ausfall ist eine riesige Schwächung für uns“, sagte der Manager, der den Vertrag des wurfgewaltigen Rückraumspielers erst kürzlich bis 2015 verlängert hatte. Der Pole sollte in den nächsten Jahren eine der zentralen Figuren im Löwen-Rudel sein.
Storm betonte ausdrücklich, dass sich der Klub noch nicht nach einem kurzfristigen Ersatz umgesehen habe. „Wir schauen jetzt, was aus Karol wird. Unser Etat gibt einen weiteren Transfer eigentlich nicht her“, meinte der 45-Jährige. Gleichwohl werden die Löwen wohl nicht darum herumkommen, auf dem Transfermarkt tätig zu werden. Zu groß ist die Lücke, die Bielecki hinterlässt. Und zu ungewiss ist die Zukunft des Spielers. Niemand weiß, wann und in welcher Verfassung der Rechtshänder zurückkehren wird. „Unsere Personalplanungen sind über den Haufen geworfen worden“, gestand der Manager.
Keine Gedanken verschwenden die Badener an eine Verpflichtung von Mikkel Hansen vom dänischen Kooperationspartner Kopenhagen. „Er wird in der nächsten Saison dort und nicht bei uns spielen“, sagte Storm, dem sich noch zwei weitere Lösungen bieten. Möglichkeit eins: Toptalent Steffen Fäth wird nicht nach Wetzlar ausgeliehen, sondern erhält bei den Gelbhemden eine Chance. Möglichkeit zwei: Zarko Sesum kommt aus Veszprém. Viel spricht für die zweite Variante, weil der Serbe erfahrener als Fäth ist und ab 2011 ohnehin das Trikot der Löwen trägt. „Wir haben uns damit noch nicht beschäftigt“, hielt sich Storm bedeckt. Der Geschäftsführer will sich in den nächsten Tagen mit den Gesellschaftern beraten, ehe eine Entscheidung fällt.
Der tapfere Bielecki hingegen wird kämpfen. Seine Freundin und seine Schwester sind gekommen und sprechen ihm Mut zu. Sie unterstützen den 28-Jährigen, der einen großen Wunsch hat: Er will zusammen mit seinem Freund Krzysztof Lijewski (Vertrag bei den Löwen ab Juli 2011) auf der Platte stehen. Dafür wird er alles tun. Ein Karol Bielecki gibt nicht so schnell auf.
Von Marc Stevermüer
21.06.2010