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„Dabei sein ist nicht alles”

Löwen empfangen morgen Ungarns Vizemeister Mol-Pick Szeged

Schattenblüher gelten in der Pflanzenwelt als genügsam. Das Licht überlassen sie gerne den anderen und suchen sich Nischen, um sich dort durchzuschlagen. Nicht selten entwickeln sich diese Spezies in der zweiten Reihe aber bestens weiter und tragen irgendwann bunte Blüten. Auch der ungarische Handball Vizemeister MOL-Pick Szeged hat diesen Werdegang hinter sich.

Während jahrelang allein der Rekordmeister KC „MKB MVM“ Veszprem im Rampenlicht stand und auch international deutlich wahrgenommen wurde, gelang es dem von einer auch in Deutschland bekannten Salami-Firma gesponserten Klub nach und nach die Lücke zu Veszprem zu schließen. Der Gewinn des EHF-Cups im Jahr 2014 beim Final-Turnier in Berlin und das Erreichen des Viertelfinales in der vergangenen Champions-League-Saison gaben dem Klub aus der Gulasch-Stadt weiteren Rückenwind. „Natürlich hat Veszprem weiter eine großartige Mannschaft und ist in allen nationalen Wettbewerben der Favorit, aber wir wollen alles daran setzen, in Ungarn mindestens einen Titel zu gewinnen“, formuliert Klubchef Nandor Szögi das neue Szegediner Selbstbewusstsein mit Blick auf den ewigen Rivalen vom Plattensee. Dass diese Ansagen aus der Stadt an der serbischen Grenze alles andere als hohle Durchhalteparolen sind, mussten in der vergangenen Saison auch die Rhein-Neckar Löwen zur Kenntnis nehmen.

Mit den Ungarn erwischten die Badener im Achtelfinale der Champions League ein von der Papierform vermeintlich machbares Los, doch schon im Hinspiel in der heimischen SAP Arena mussten die Löwen anerkennen, dass diese Mannschaft zu allem fähig ist. 30:34 hieß es nach 60 Minuten, vor allem Szegeds Spielmacher Dean Bombac bekamen die Hausherren nie in den Griff und waren in der Defensive zu keiner Zeit auf der Höhe. Das Wunder von Ungarn blieb im Rückspiel ebenfalls aus: Die 29:31-Niederlage in Szegeds rustikaler Stadtsporthalle Városi Sportcsarnok besiegelte das frühe Aus der Löwen in der Königsklasse, während Szeged im Viertelfinale dann auch dem THW Kiel alles abverlangte, bevor sich die Norddeutschen durchsetzten und ins Final Four von Köln einzogen.

Dieser Achtungserfolg macht den Ungarn nun natürlich Lust auf mehr. Als Vizemeister erhielten sie das direkte Ticket für den renommierten Wettbewerb und treffen in Gruppe B wieder auf die Rhein-Neckar Löwen. Für Nandor Szögi ist allerdings der FC Barcelona der Top-Favorit auf den Gruppensieg, was dahinter passiert, lasse sich kaum vorhersagen. „In dieser Vorrundengruppe sind viele Mannschaften, die nun schon regelmäßig in der Champions League dabei sind und die über jede Menge Erfahrung verfügen. Deshalb kann hier wirklich alles passieren“, sagte der Klubchef gegenüber dem Internetportal ehfcl.com. In diesem erlauchten Kreis dabei zu sein, erfüllt die Magyaren mit Stolz, doch vom olympischen Motto „Dabei sein ist alles“ ist Szeged nach der jüngsten Entwicklung zu einem europäischen Spitzenklub weit entfernt. „Wir wollen natürlich ins Achtelfinale und werden versuchen, uns dafür eine gute Ausgangsposition zu erarbeiten. Aber angesichts der Leistungsdichte schon in der Vorrunde, ist jedes Spiel fast schon ein Finale“, betont Szögi.

Doch MOL-Pick Szeged ist gerüstet. Bis auf den langjährigen Kapitän Atilla Vadkerti, der seine Karriere bei FKSE Algyö ausklingen lässt und dem Klub als Chef der Jugendakademie erhalten bleibt, konnte der Kader mit den Ex-Löwen Rajko Prodanovic und Gabor Anscin zusammengehalten und sogar noch mit einem international erfahrenen Duo verstärkt werden: Neu im Team sind der brasilianische Rückraumspieler Thiagus Petrus Goncalves Dos Santos (Naturhouse La Rioja/
Spanien) und der serbische Linksaußen Marko Curuvija (König-Trade Balmazujvaros/Ungarn). Mit diesen personellen Voraussetzungen kann der ehemalige spanische Nationaltrainer Juan Carlos Pastor sicher wieder eine Mannschaft stellen, die schwer zu schlagen ist. Auch der neue Kapitän Szabolcs Zubai ist daher zuversichtlich. „Natürlich ist es schwer, eines der starken Teams zu überraschen, aber wir wollen den nächsten Schritt in unserer Entwicklung machen“, freut sich der neue Spielführer vor allem auf die Duelle mit Titelverteidiger FC Barcelona. „Aber in diesem Jahr gibt es generell keine leichten Spiele in dieser Gruppe. Unser einziges Ziel kann nur das Weiterkommen sein“, bleibt Zubai realistisch, hat aber sicher den Werdegang der Schattenblüher im Hinterkopf. Denn auch wenn Szeged in dieser Gruppe vielleicht nicht immer im Rampenlicht stehen sollte – wer die Ungarn unterschätzt, hat schon verloren. Das weiß auch Löwen-Trainer Nikolaj Jacobsen, der in der morgigen Partie auf Stefan Kneer verzichten muss. Der Rückraumspieler wurde nach seiner roten Karte im letzten Champions League Spiel bei Vardar Skopje für eine Partie gesperrt. „Stefan ist ein wichtiger Bestandteil unserer starken Abwehr. Es wird unheimlich schwer ihn zu ersetzen, aber wir wollen trotzdem versuchen die Partie zu gewinnen“, so Jacobsen, der auch auf Torhüter Richard Stochl noch verzichten muss. Der Slowake ist nach seinem Transfer in der vergangenen Woche in der Champions League erst ab dem Auswärtsspiel in Montpellier für die Badener spielberechtigt. Für ihn rückt gegen Szeged wieder Marco Bitz in den Kader. Anwurf am morgigen Samstag in der SAP Arena ist um 17:30 Uhr. Eintrittskarten gibt es noch an der Tageskasse.