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Das alte Lied bei den Löwen … (RNZ)

Hannover. (KA) Neue Saison, aber das alte Lied bei den Rhein-Neckar Löwen: Nach einem glanzvollen Erfolg unter der Woche gegen den deutschen Meister HSV Hamburg und einem hochgelobten Traumstart mit 6:0-Punkten folgte drei Tage später die harte Landung auf dem Boden der Realität und die erste Niederlage bei einem vermeintlich „kleinen“ Kontrahenten im Handball-Oberhaus: Mit 32:33 (15:19) unterlagen die Badener Hannover-Burgdorf und unterstrichen damit ihre „besondere Berechenbarkeit“. Denn fast nichts ist so konstant wie die Inkonstanz der Löwen. Mal wieder vergeigten sie eine Partie auf Ansage!

Er hatte eindringlich vor diesem Gegner gewarnt, hatte die Schwierigkeiten bei dieser Partie immer wieder hervorgehoben – Trainer Gudmundur Gudmundsson wusste, wovon er sprach. Und vielleicht rumorte es zuvor genau deshalb in seinem Magen, beschlich den Isländer dieses flaue Gefühl der düsteren Vorahnung. Denn alles Mahnen nutzte nichts. Von wegen Spannung aufbauen: Die Löwen verschliefen in der AWD-Hall zu Hannover vor 1706 Zuschauern schon den Auftakt, lagen schnell mit 1:4 (6.) im Hintertreffen und nahmen einen Vier-Tore-Rückstand als Hypothek mit in die Kabine: 15:19 zur Pause – und die endgültige Gewissheit für jeden im Löwen-Trikot, dass es an diesem Abend nur zu einem Happy End reichen würde, wenn die zweiten 30 Minuten mit hundertprozentiger Konzentration absolviert werden.

Aber genau diese fehlte dann doch erneut in zu vielen Situationen im zweiten Durchgang. Insgesamt verballerten die Badener 28 Bälle, darunter zwei Siebenmeter. Eine ganz schwache Ausbeute, die in erster Linie für die erste Pleite in der Spielzeit 2011/12 ausschlaggebend war. „Wir hatten über die gesamte Dauer eine sehr schlechte Wurfquote“, bilanzierte Trainer Gudmundsson nach 60 nervenaufreibenden Minuten. Die Hannoveraner gewannen nicht nur das Torhüter-Duell – Nenad Puljezevic brachte es im TSV-Kasten schließlich auf 19 tolle Paraden – sondern auch das Spiel mit dem Feuer. Denn die Hausherren wirkten motivierter, waren emotionaler und agierten hellwach von der ersten bis zur letzten Minute.

 „Wir haben sechs Partien in 14 Tagen absolviert, die Spieler sind ziemlich müde“, übte sich Gudmundsson in Erklärungsversuchen für eine Niederlage, die trotz der schlechten Chancenverwertung und dem Ausfall von Rückraumspieler Krzysztof Lijewski (40. Minute) vermeidbar gewesen wäre. Wenn die Betriebstemperatur (ist bei 100 Prozent erreicht) bei jedem einzelnen Löwen gestimmt, die Fehlerquote folgerichtig minimiert und man unter anderem die Wirkungskreise des besten TSV-Torschützen, des Rechtsaußen Torge Johannsen (neun Tore bei zehn Versuchen) entscheidend eingeengt hätte.

Manager Thorsten Storm: „Wir haben einmal mehr eine große Chance liegen gelassen und es nicht geschafft, als Mannschaft diesen nächsten Schritt in der Entwicklung zu gehen. Natürlich haben wir verletzte Spieler. Natürlich haben wir Kräfteverschleiß und ein hartes Programm. Aber das ist eine Frage der Verantwortung gegenüber dem Verein und seinem eigenen Arbeitsplatz sowie der Konzentration des Einzelnen auf seine Aufgabe. Das muss aus jedem selbst kommen. Ich hatte gehofft, dass jeder Einzelne weitergekommen ist in seiner persönlichen Entwicklung. Es sind leider zu wenige, die unsere schwierige Situation begriffen haben. Niederlagen gehören zum Sport dazu, aber eine erkennbare Entwicklung auch.“

Nach dem Wechsel holten die Badener Tor um Tor auf, beim 20:20 (34.) war der Ausgleich erneut geschafft. Auch das 32:30 (55.) glich die Gudmundsson-Sieben noch aus (59.), aber das 33:32 durch Svavarsson bedeutete55SekundenvorSchlussdenSieg für die TSV. Weil Gensheimer noch einmal gegen Puljezevic den Kürzeren zog und dann die Zeit gegen die Löwen lief. Apropos Zeit. Davon wird es auch für die Fehleranalyse nicht viel geben. Bereits am Dienstag (20.15 Uhr) wartet in der zweiten DHB-Pokalrunde der TVGroßwallstadt als nächster Gegner in der Elsenfelder Sparkassen-Arena. Eine hohe Hürde, zumal Coach Gudmundsson neben Bjarte Myrhol und Ivan Cupic nun auch auf einen weiteren Linkshänder verzichten muss: Lijewski zog sich einen Muskelfaserriss im Oberschenkel zu und wird nach Aussage von Mannschaftsarzt Andreas Klonz voraussichtlich bis zu drei Wochen fehlen.

Gudmundsson ist anzumerken, dass er bei aller Schnelllebigkeit des Geschäfts doch noch eine ganze Weile an dieser Pleite in Hannover zu knabbern haben wird. Schließlich weiß er eines ganz genau: Solange sich die Löwen solche unerklärlichen mentalen Aussetzer erlauben, werden sie weiter ihre Runden in der Warteschleife zwischen hohem Anspruch und belächelter Wirklichkeit drehen und immer wieder die Ausfahrt zur absoluten Spitzenmannschaft verpassen – denn nur der direkte, weil konstante bzw. kontinuierliche Weg führt eben nachganzoben.

Nun wird er sein Team akribisch auf das Pokal-Duell vorbereiten. Und geht es nach dem Löwen-Gesetz der konstanten Inkonstanz stehen die Zeichen gar nicht so schlecht, dass man sich am Dienstag auf ein ganz anderes Auftreten des Rudels freuen darf. Trösten wird diese Aussicht die Fans, die mit 100 Prozent Leidenschaft und ganzem Herzen hinter dieser Mannschaft stehen, aber wohl kaum.