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„Das ist auch ein Sieg von Ola und Kent“

Barcelona. Der Profisport ist ein schnelllebiges und knallhartes Geschäft. Trainer kommen und gehen, Spieler sowieso. Und deshalb wäre es einfach normal gewesen, wenn bei den Rhein-Neckar Löwen keiner mehr von Ola Lindgren und Kent-Harry Andersson gesprochen hätte. Warum auch? Der Handball-Bundesligist hatte mit dem neuen Coach Gudmundur Gudmundsson eine Überraschung vollbracht und in der Champions League beim FC Barcelona mit 31:30 (14:13) gewonnen.

Nielsen lobt Gudmundsson

Kein Wunder, dass der mächtige Aufsichtsratsvorsitzende Jesper Nielsen bemüht war, den neuen Mann auf der Trainerbank über den grünen Klee zu loben: „Gudmundur hat drei Tage lang verdammt hart gearbeitet und sich nur auf dieses Spiel fokussiert. Das ist gefühlt der größte Sieg in der Vereinsgeschichte der Löwen.“

Der Wirbel rund um die Entlassung von Lindgren und Andersson, meinte Nielsen, habe bei der Mannschaft keine Spuren hinterlassen. Er fühlte sich durch den Erfolg in der katalanischen Metropole bestätigt – und wohl auch durch die Worte von Ólafur Stefánsson. „Wir haben uns sehr, sehr intensiv auf diese Begegnung vorbereitet. Im Spiel spürten wir dann, dass der Trainer uns richtig gut eingestellt hatte. Das war ein gutes Gefühl“, meinte der isländische Superstar, der vom Trubel der vergangenen Tage überhaupt nichts mitbekommen haben will: „Das war eine Sache der Medien. Gudmundur hat mit uns eine Minute über die Vergangenheit gesprochen – und dann ging es nur um Barcelona.“

Der zurzeit verletzte Mannschaftskapitän Gudjon Valur Sigurdsson wollte aber nicht so schnell zur Tagesordnung übergehen, was ihn in gar keinem Fall zum Querulanten machte. Im Gegenteil: Der Linksaußen, ein höchst loyaler und netter Mann, bewies Anstand und Mut. Er ist der Anführer, sein Wort hat Gewicht. Der Isländer dankte dem entlassenen Trainerduo, denn Sigurdsson, den stets kritischen Geist, hatten die Vorfälle der vergangenen Tage überrascht.

„Die Entlassung von Lindgren war ein Schock für die Mannschaft. Es gab gar keine Anzeichen für eine Trennung. Und deshalb muss ich sagen, dass der Sieg in Barcelona kein Meisterwerk von unserem neuen Trainer war. Gudmundur ist doch gerade erst ein paar Tage da. Es war doch absolut nicht möglich, dass er etwas großartig ändert in dieser kurzen Zeit. Dieser Erfolg ist auch ein Sieg von Ola und Kent“, lobte Sigurdsson die Arbeit seiner Ex-Trainer und ergänzte: „Wir haben acht von neun Spielen gewonnen. Man kann uns dafür kritisieren, dass wir zu wenig Tore geworfen haben. Aber letztendlich haben wir auch in Barcelona nur mit einem Treffer gesiegt. Trotzdem gab es dafür zwei Punkte.“

Keine Frage: Das Thema Lindgren ist noch nicht vollkommen zu den Akten gelegt, auch wenn das die Klubführung wohl gerne hätte. In Zeiten mündiger Spieler, die Entscheidungen nicht nur hinnehmen, sondern kritisch überprüfen, müssen sich die Löwen-Bosse damit anfreunden, dass Teile der Mannschaft den überraschenden Schritt der Vereinsspitze nicht zu 100 Prozent nachvollziehen können.

Kapitän Sigurdsson war nämlich längst nicht der einzige Spieler, den Lindgrens Entlassung unerwartet traf. „Wir müssen Ola danken. In der kurzen Zeit mit dem neuen Trainer haben wir den Handball sicherlich nicht neu erfunden“, sagte Andy Schmid, der aber genauso gut weiß, dass sich das Rad nicht mehr zurückdrehen lässt: „Wir hatten einen guten Start mit Gudmundur. Jetzt müssen wir die Füße wieder schnell auf den Boden kriegen.“

Den Gelbhemden bleibt zweifelsohne wenig Zeit, über die vergangenen Tage nachzudenken. Der Profisport ist ein schnelllebiges Geschäft. Nur eiskalt muss es nicht immer zugehen. Das haben die Löwen-Spieler bewiesen.

Von Marc Stevermüer

 27.09.2010