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Den Schock verdaut (MM)

Löwen gewinnen 34:26 beim Bergischen HC, Sonntag Topspiel gegen Hamburg / Kiel holt im Torverhältnis auf

WUPPERTAL. Die beste Rückrunden-Mannschaft gegen die schlechteste. Da sollte eigentlich nichts schief gehen. Wäre da nicht am Samstag der dramatische Champions-League-K.o. in Barcelona für die Rhein-Neckar Löwen gewesen. Vorgestern stand schon wieder der Bundesliga-Alltag an – und beim Abstiegskandidaten Bergischer HC brauchten die Gelbhemden ohne den erkrankten Bjarte Myrhol tatsächlich eine Halbzeit lang, um ihren Rhythmus zu finden und 34:26 (14:14) zu gewinnen. „Ich habe mir vor diesem Spiel große Sorgen gemacht. Die Mannschaft war nach dem Ausscheiden aus der Champions League nicht nur enttäuscht, sondern unheimlich traurig. Deswegen war die Begegnung beim BHC eine der schwierigsten in dieser Saison“, bereitete Trainer Gudmundur Gudmundsson vor allem die mentale Verfassung seines Teams Kopfschmerzen.

Überragender Schmid

Als hätte es der Isländer geahnt, lief bis zum 14:14 zur Pause wenig nach Plan. Doch dann legte der EHF-Pokalsieger den Schalter um. Der neunfache Torschütze Andy Schmid riss die Begegnung an sich und strahlte wie schon gegen Berlin, als Myrhol ebenfalls mit einer Grippe fehlte, eine unglaubliche Torgefahr aus. Im Duell mit dem Hauptstadt-Klub war er in Abwesenheit seines kongenialen Partners am Kreis sogar 13 Mal erfolgreich. „Gegen die offensive Deckung konnte ich mit meinen schnellen, dünnen Beinen ein bisschen was machen“, sagte der Schweizer und grinste. Die Löwen hatten sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen, nachdem sie in der ersten Halbzeit einem Zwei-Tore-Rückstand (7:9/16.) hinterhergelaufen waren. „Wer mit einem Unentschieden in die Pause geht und am Ende mit acht Toren Differenz gewinnt, der darf glücklich nach Hause fahren“, meinte Schmid.

Für Manager Thorsten Storm zählten auch erst einmal nur die zwei Punkte, zumal die Badener nach der Übernahme der Tabellenführung mehr denn je die Chance auf den Titel haben. „Für uns ist diese Situation Neuland. Die Partie beim BHC war nach dem Erlebnis in Barcelona ganz wichtig für die Seele. In der zweiten Halbzeit hat das Team gezeigt, dass es wieder in der Spur ist. Das waren die Löwen, wie man sie kennt“, sagte der Geschäftsführer.

Dass der Rivale THW Kiel gegen die TSV Hannover-Burgdorf einen 37:20-Kantersieg landete und in der Tordifferenz jetzt nur noch 14 Treffer hinter seiner Mannschaft liegt, war für ihn erst einmal zweitrangig: „Wir müssen unsere Aufgaben lösen, ich rechne mit keinerlei Hilfe. Wir sind davon ausgegangen, dass Kiel hoch gewinnen wird. Denn wir wissen, wie Hannover auswärts spielt.“ Zur Erinnerung: Im März fegten die Gelbhemden die Niedersachsen mit 37:19 von der Platte. Dass Hannover nach ordentlichem ersten Durchgang (12:16) die zweite Halbzeit in Kiel mit 13 Toren verlor, verwunderte dann aber doch.

Wie auch immer: Die Badener können nicht beeinflussen, was der THW oder dessen Gegner machen. „Wir schauen auf uns“, sagte der erneut starke Schlussmann Niklas Landin, der mit dem Ergebnis in der Wuppertaler Uni-Halle zufrieden war: „Nach den vielen Höhepunkten gegen Kielce, Kiel und Barcelona haben wir bewiesen, dass wir auch gegen einen vermeintlich kleinen Gegner unsere Leistung abrufen.“

Der Däne war mit 22 Paraden wieder einmal zuverlässiger Rückhalt der Löwen, die am Sonntag (20.15 Uhr/SAP Arena) im Spitzenspiel gegen den HSV Hamburg antreten. Bislang wurden 11 000 Karten verkauft. „Wir freuen uns auf dieses große Spiel. Wenn wir diese zwei Punkte holen, sieht es richtig gut aus.“ Sorgen, der THW könnte doch noch über das Torverhältnis am Spitzenreiter vorbeiziehen, hat er keine: „Ich glaube nicht, dass Kiel noch einmal mit mehr als zehn Treffern Differenz gewinnen wird.“

„Auf dem Zahnfleisch“

Klar ist aber auch, dass die Löwen gegen Hamburg 60 starke Minuten benötigen. Eine erste Halbzeit wie gegen den BHC können sie sich nicht erlauben. Doch Leistungsträger Alexander Petersson scheint am Ende seiner Kräfte angelangt, er knickt immer wieder um. Viele andere Spieler plagen sich mit kleineren Wehwehchen. „Die Jungs gehen auf dem Zahnfleisch“, sagte Gudmundsson, weshalb Manager Storm darauf setzt, dass im Saisonendspurt die Ersatzspieler zeigen, „dass sie uns helfen können“. Isaías Guardiola tat das in Wuppertal wie schon zuvor gegen Kiel, auch Stefan Sigurmannsson zeigte erneut, dass auf ihn Verlass ist. Nach seinem starken Auftritt in Barcelona blieb Sergey Gorbok indes unter seinen Möglichkeiten – was doppelt bitter ist. Denn Kim Ekdahl du Rietz leidet an muskulären Problemen. Gudmundsson setzt deshalb auf den Teamgeist – denn es ist gerade der Zusammenhalt, der die Löwen in dieser Saison an die Tabellenspitze brachte.

Von Marc Stevermüer