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Den Spagat gemeistert (MM)

Kielce beschäftigt die Löwen, aber das ist ihnen beim 35:24 in Lemgo nicht anzumerken

LEMGO. Nach der Partie konnte er es ja verraten. Die zwei Punkte waren für die Rhein-Neckar Löwen nach dem 35:24-Sieg beim TBV Lemgo gerade eingetütet, als Gudmundur Gudmundsson ganz entspannt den Verstoß gegen seine eigenen Prinzipien einräumte. In der vergangenen Woche richtete er für zwei Tage den Fokus nicht nur auf die Begegnung in Ostwestfalen, sondern auch schon auf den Champions-League-Kracher am Samstag beim polnischen Spitzenverein Vive Kielce. Ein besonderes Spiel. Eine besondere Maßnahme. Eine besondere Ausnahme. Denn seit Jahren predigt der Trainer zwei Sätze immer wieder. „Wir schauen nur von Spiel zu Spiel.“ Oder: „Es bringt nichts, zu weit in die Zukunft zu blicken.“ Respekt vor dem Gegner. Bescheidenheit. Konzentration. Das sind seine Leitlinien. Normalerweise!

„Manchmal muss ein Trainer etwas anders machen. Vor allem dann, wenn viele Aufgaben in kurzer Zeit anstehen. Wir müssen es schaffen, uns auf zwei Gegner gleichzeitig vorzubereiten. Das machen Nationalmannschaften vor großen Turnieren auch“, sagte Gudmundsson, dem es gut in die Trainingssteuerung passte, dass seine Mannschaft mal eine Woche Pause zwischen zwei Spielen hatte.

Am Dienstag und Mittwoch standen Videostudium und taktische Feinabstimmung für die mit Spannung erwartete Begegnung in der Königsklasse auf der Tagesordnung, „seitdem liegt Kielce aber auf Eis“, berichtete der Trainer.

Titelgewinn in eigener Hand

Tabellenführer THW Kiel kam gestern Abend gegen den SC Magdeburg nicht über ein 27:27 hinaus. Die Löwen haben nur noch zwei Punkte Rückstand auf den THW und die um sechs Treffer bessere Tordifferenz. Am 16. April kommt es in der bereits restlos ausverkaufte Mannheimer SAP Arena zum direkten Duell um den Titel zwischen den Löwen und dem THW. Außer Frage steht: In Lemgo machte seine Mannschaft deutlich, dass sie sich tatsächlich auf zwei Gegner gleichzeitig vorbereiten kann. Nach etwas holpriger Anfangsphase gerieten die Gelbhemden zu keiner Zeit in Gefahr und feierten einen Kantersieg. „Am Ende kann auch das Torverhältnis entscheiden“, unterstrich Gudmundsson seinen Ehrgeiz, der sich auf sein Team übertrug.

Bangen um Petersson

Die Gier auf jeden Treffer und auf den höchstmöglichen Sieg war bis in die Schlussminute zu spüren. Unnachgiebig demontierten die Löwen den stark ersatzgeschwächten TBV, der mit vier Spielern angetreten war, die in der vergangenen Saison noch in der A-Jugend am Ball waren. Für das Quartett gab es noch nicht einmal Trikots mit ihren Namen auf dem Rücken.

Entsprechend wussten die Badener den Sieg einzuordnen. „Wir haben das souverän gelöst“, lautete die trockene Analyse des Trainers, der in der Anfangsphase einen Schock verdauen musste. Alexander Petersson humpelte vom Feld und konnte nicht mehr weiterspielen. Der Knöchel schmerzte. „Wenn Alex klagt, dann hat er wirklich etwas. Er ist ein harter Kerl. So wie ich ihn kenne, will Alex aber am Mittwoch wieder spielen“, geht Gudmundsson davon aus, dass dem Linkshänder nichts Schlimmeres passiert ist und Petersson übermorgen (19 Uhr) gegen Lübbecke mitwirken kann.

Schon seit der Rückfahrt aus Lemgo gilt die ganze Konzentration dem Angstgegner aus Ostwestfalen. Denn wichtig ist diesmal wieder nur das nächste Spiel.

von Marc Stevermüer