Veröffentlichung:

Der Dauergrins-Modus

Eppelheim. Jesper Nielsen und Thorsten Storm standen in einem der schmalen Ausgänge zwischen den Tribünen der Rhein-Neckar-Halle. Genau dort, wo sich auch die Spieler durchzwängen, wenn sie die Kabine ansteuern. Seite an Seite, 60 Minuten lang, ohne Unterbrechung, verharrten die Ober-Löwen dort. Der eine links, der andere rechts. Verdeckt wurden sie durch eine Werbebande. Eigentlich waren nur die Gesichter zu erkennen.

Und die befanden sich im Dauergrins-Modus, in einer Endlosschleife aus Schmunzeln und Lachen. Der Aufsichtsratsboss und der Manager hatten ihren Spaß, freuten sich über eine 37:22-Gala ihrer Rhein-Neckar Löwen gegen Chambery. „Wir haben ein tolles Spiel gesehen“, erklärte Storm später, „eines, in dem wir 60 Minuten lang Vollgas gegeben haben.“

Letzte Saison war das noch anders. Damals tat man sich schwer gegen die Franzosen, überzeugte nur phasenweise und wurde bestraft. Storm erinnert sich: „Da lagen wir zwischenzeitlich mit sechs, sieben Toren vorne, kamen amEnde aber leider nicht über ein Unentschieden hinaus.“

Das waren die Löwen in der Vorsaison – kein Vergleich zum Hier und Jetzt, zum Tempo-Handball der letzten Wochen. Unter Neu-Trainer Gudmundur Gudmundsson, dem kleinen Isländer, der Großes leistet, zeigt die Formkurve steil nach oben.

Hat er etwa Zauberkräfte, einen Hut und einen Hasen? Eher nicht. Alles ist rational erklärbar. Storm kennt den Grund für den Aufschwung, sagt: „Gudmundur ist ein akribischer Arbeiter, kein Zauberer. Aber er kommuniziert viel, verdeutlicht jedem seine Aufgabe und dass er wichtig ist. Auch Robert Gunnarsson. Der 30-Jährige blüht derzeit förmlich auf, profitiert von Gudmundsson. Denn der setzt auf ihn, kennt seine Stärken ganz genau, schwört auch in der Nationalmannschaft auf sie. Und der Kreismann enttäuscht „Gudmi“ nicht: Gegen Chambery zeigte er, was in ihm steckt. Er kämpfte, er traf, er organisierte.

Nach dem Sieg war Gunnarsson dann bestens drauf. Er redete viel im RNZ-Gespräch, aber weniger von sich, mehr von den anderen. Von einer tollen Truppe, von zwei ganz starken Torhütern, von einer sicheren Abwehr, von einer brandgefährlichen Offensive und von einem Trainer, „der perfekt analysiert“. Es kam wie aus der Pistole geschossen, selbstsicher und extrem ehrgeizig. Wer soll diese Löwen denn dann noch schlagen? Der DHC Rheinland vielleicht? Der gastiert heute Abend um 20.15 Uhr in der SAP Arena. Rund 8.000 Fans werden dabei sein.

Am Sonntag in Eppelheim waren es knapp über 2.000. Und die machten Radau, fühlten sich pudelwohl. Es wurden sogar Stimmen laut, die sich für eine generelle Rückkehr nach „Eppele“ aussprachen. Doch das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Storm erklärt, warum: „Undenkbar ist das. Nur mit der SAP Arena ist diese Löwen-Entwicklung möglich gewesen. Wir brauchen einen 10.000er Zuschauerschnitt und für unsere Sponsoren diesen Standard wie in der Fußball-Bundesliga. Trotzdem macht auch die Erinnerung an die ’gute alte Zeit’ Spaß.“

Apropos Standards, auch die EHF scheint wegen Eppelheim Bedenken zu haben: Am Sonntag tigerte eine Frau mit riesigen goldenen Ohrringen und einer kleinen Digitalkamera durch die Rhein-Neckar-Halle. Sie fotografierte alles: Tribünenbereiche, Toiletten, den Pressebereich und und und… Beweismaterial, das gegen Eppelheim verwendet werden soll? Storm verrät: „Die Rhein-Neckar-Halle ist aus Sicht der EHF für die Champions League nichtmehr standesgemäß. Es ist eine Ausnahme-Genehmigung –weil es keine anderen Termine und Möglichkeiten gab.“ Und weiter: „Die SAP Arena ist und bleibt unser zuhause, für das wir noch mehr Fans gewinnen möchten, um immer dort spielen zu können.“

Von Daniel Hund

 12.10.2010