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Der Fehlstart, der eigentlich gar keiner ist?
Unmittelbar nach der Schluss-Sirene tagte der Krisenrat. Wie zwei reuige Sünder saßen sie da. Keine Körperspannung, keine Gesichtsmimik. Thorsten Storm und Ola Lindgren, der Manager und der Trainer, die mächtigen zwei bei den Rhein-Neckar Löwen, suchten nach Gründen, sprachen leise, schauten immer wieder auf den Boden. Die bittere Heimpleite gegen den HSV Hamburg, die zweite im dritten Saisonspiel, nagte an ihnen. „Das ist vielleicht ein Start ins Wochenende“, grummelte Storm. Lindgren blies nickend die Backen auf: „Wir haben insgesamt eben zu viele technische Fehler gemacht.“ In der Stunde der 30:34-Niederlage hielt das Duo zusammen, demonstrierte Geschlossenheit. Das Wort Fehlstart nahm keiner in den Mund. Und zwar ganz bewusst: „Mit Kiel und Hamburg haben wir genau gegen die Gegner verloren, die wir ohnehin vor uns gesehen haben“, erklärte Storm.
Ein fader Beigeschmack bleibt trotzdem, ein unnötiger noch dazu. Denn die Schlacht gegen die Riesen aus der Hansestadt war nicht aussichtslos. Im Nord-Süd Schlager war deutlich mehr drin. Gudjon Valur Sigurdsson brachte es auf den Punkt: „In der ersten Halbzeit haben wir gezeigt, dass wir jeden schlagen können.“ Das Bällchen lief, das Timing stimmte. Blitzartig schwärmten sie aus, die „Besten aus dem Südwesten“, trafen, jubelten, ballten die Fäuste. Hamburg wankte, fiel aber nicht. Sigurdsson glaubt den Grund zu kennen: „Der HSV ist eingespielt, wir noch nicht.“ Wo er Recht hat, hat er Recht. Harmonie und Abgeklärtheit brauchen ihre Zeit, doch genau die bekommt das neu formierte Rudel auch weiterhin nicht. Ab sofort heißt es endgültig: Ausrutschen verboten! Es zählen nur noch Siege. Man ist zum Erfolg verdammt. Druck baut sich auf, belastet die Spieler und den Trainer. Sigurdsson kennt die Gesetzmäßigkeiten. Nach Ausflüchten sucht der Kapitän dennoch nicht. Im Gegenteil. Er redet Klartext: „Jetzt dürfen wir in der Hinrunde eigentlich keinen Punkt mehr liegen lassen.“
Starke Worte, denen nun starke Taten folgen sollen. Doch in den kommenden Wochen wartet kein Kanonenfutter. Handball spielen können sie alle in der Bundesliga. Und gegen finanzstarke Klubs wie die Löwen packen auch die „Kleinen“ noch eine Schippe drauf. Lindgren befürchtet genau das: „Spaziergänge gibt es in dieser Liga nicht. Wir müssen weiter hart an uns arbeiten.“ Einziger Lichtblick: Ähnlich schwierig wie am Freitag gegen die Hamburger wird es in den nächsten Wochen nicht werden. Denn vor den Toren der Color-Line-Arena haben die Macher ihre Hausaufgaben erledigt. Mittlerweile ist die Weltklasse dort nämlich unter sich. Schwachpunkte weißt der Kader nicht mehr auf. Vor allem am Kreis haben die Nordmänner eine echte Lichtgestalt an Land gezogen. Gemeint ist Igor Vori. Der 29-Jährige misst 2,03 Meter vom Scheitel bis zur Sohle, befindet sich somit mit Karol Bielecki auf Augenhöhe, ist aber bulliger, furchteinflößender: Ein echter Brocken, dieser Kroate. „Ihn haben wir einfach nicht in den Griff bekommen“, grübelte Löwen-Juwel Patrick Groetzki hernach. Groetzki selbst verdiente sich ebenfalls Bestnoten. Von sechs Versuchen brachte er fünf im Tor unter. Zwischenzeitlich glänzte Groetzki, der „Junge Wilde“, sogar als Zauberer. Johannes Bitter, die deutsche Nummer eins im Tor, degradierte das 20-jährige Schlitzohr zum Lehrling. Bei seinem listigen Dreher zum 7:4 stand das „Ufo“ Kopf. Die Baustelle neben Groetzki erzeugt dagegen wenig Frohsinn. Auf Halbrechts ist der Wurm drin: Michael Müller ist in der badischen Manege noch nicht angekommen und Stareinkauf Olafur Stefansson nimmt sich die eine oder andere Auszeit auf der „Platte“. Echte Torgefahr strahlt jedenfalls keiner von beiden aus. Ein gelernter Vollstrecker, einer, der sich auch mal was zutraut, wird schmerzlich vermisst. Karol Bielecki mimt somit den Alleinunterhalter. Und darauf können sich die Gegner einstellen. Auch die Schaltzentrale bereitet (noch) Kopfzerbrechen. Denn sowohl Snorri Gudjonsson als auch Nikola Manojlovic entsprechen aktuell noch nicht den hohen Ansprüchen der Löwen. So ackerte gegen den HSV – zumindest in der zweiten Halbzeit – wieder ein alter Bekannter auf die Mitte: Gudjon Valur Sigurdsson zog die Fäden, rückte von außen nach innen. Mal sehen, ob es bei einer Momentaufnahme bleibt. Morgen um 20.15 Uhr geht es für die Badener mit der ersten Hürde im DHB-Pokal weiter: Die Lindgren-Sieben gastiert beim Zweitligisten TV Bittenfeld.
Von Daniel Hund
21.09.2009