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Der Instinkthandballer

Nikolas Katsigiannis soll den lange verletzten Mikael Appelgren im Löwen-Tor vertreten und reist am Sonntag mit den neuen zu seinen alten Kollegen

Der Instinkthandballer: Nikolas Katsigiannis soll den lange verletzten Mikael Appelgren bei den Rhein-Neckar Löwen vertreten.
Nikolas Katsigiannis mit Andreas Palicka.

„Allein wie er im Tor steht – das ist schon speziell und einmalig in der Bundesliga“, sagt Martin Schwalb. Seit Mitte des Monats ist er Trainer von Nikolas Katsigiannis. Einem jener wenigen Handballer, die man anhand ihrer Körperhaltung erkennen kann. Tief gebückt, mit extremer Hocke, in Lauerstellung: So macht „Katze“ seinem Namen alle Ehre. Am Sonntag kehrt der 38-Jährige mit seinem neuen Klub zu seinem alten zurück.

Vier Jahre lang stand Nikolas Katsigiannis im Tor des HC Erlangen. Mit seinen Paraden, seiner Erfahrung und Ausstrahlung half er kräftig mit, die Franken im Handball-Oberhaus zu etablieren. In der Saison 2019/20 bildete er mit Carsten Lichtlein das älteste und wohl auch das exotischste Torwart-Duo der LIQUI MOLY HBL. Dabei spürte Katze: Es wird Zeit für eine Veränderung. Den Vertrag in Erlangen habe er nicht mehr verlängern wollen: „Ich habe gemerkt, dass ich mal wieder einen Tapetenwechsel brauche.“

Angebote habe es einige gegeben, sowohl aus dem In-, als auch aus dem Ausland, aus Liga eins und Liga zwei. Keines davon habe so richtig gepasst, sagt Nikolas Katsigiannis. Schließlich habe er sich entschieden zu warten und vereinslos in die Spielzeit 2020/21 zu gehen. Ein Glücksfall für ihn und die Löwen, wie sich herausstellen sollte: „Jetzt für die Rhein-Neckar Löwen zu spielen, das ist eine coole Sache. Darüber freue ich mich riesig.“ Zumal es nicht ohne sei, vereinslos in eine Saison zu gehen – und sich auf eigene Faust für den Fall der Fälle fit zu halten.

„Das geht an die Nerven“

Der Instinkthandballer: Nikolas Katsigiannis soll den lange verletzten Mikael Appelgren bei den Rhein-Neckar Löwen vertreten.
Nikolas Katsigiannis vor seinem ersten Löwen-Spiel.

„Das ist keine leichte Situation, das geht an die Nerven. So etwas kann ich eigentlich niemandem empfehlen“, sagt Katsigiannis. Trainiert hat er seit seinem Abschied aus Erlangen im Sommer in Duisburg. Dort lebt seine Familie, arbeitet sein Bruder als Sportlehrer. Mit ihm zusammen konnte er sich nicht nur körperlich auf der Höhe halten, sondern auch torwartspezifische Dinge trainieren. Bruder Alexandros war seinerseits Zweitliga-Profi, trainierte bis Mai 2019 den Verbandsligisten SuS Oberaden. Nun also betätigte er sich als „Personal Family Coach“ und gab Niko damit wertvolle Starthilfe für seinen Wiedereinstieg in die stärkste Liga der Welt.

„Natürlich hat mir das Mannschaftstraining gefehlt. Das habe ich auch ziemlich schnell gemerkt nach meiner Ankunft bei den Löwen“, gesteht Katze. Am Montag vor einer Woche habe er seine Tasche gepackt, am Dienstag gegen Leipzig feierte er sein Löwen-Debüt. Und das ausgerechnet in einem der schlechtesten Spiele, die seine neue Mannschaft in den vergangenen Jahren abgeliefert hat. „Es gibt solche Spiele, in denen absolut gar nichts geht. Sogar viel öfter, als man denkt. Dafür, wie viele Fehler wir uns geleistet haben, ist die Niederlage mit 23:28 noch relativ knapp ausgefallen“, sagt Katze. Was ihn wirklich gewurmt habe, sei die eigene Leistung gewesen. Auch wenn die Voraussetzungen quasi ohne Training äußerst bescheiden gewesen seien: „Ich hätte der Mannschaft gerne mehr geholfen. Genau das ist ja mein Ziel, dass ich gerade in solchen Spielen, in denen sonst nicht viel geht, wichtige Impulse setze.“

Zwei Paraden standen am Ende nach den ersten Minuten im Löwen-Tor für Nikolas Katsigiannis. Hilfe von der Abwehr? Fehlanzeige. Und so hofft der Routinier, dass es bei der Rückkehr zu seinem alten Klub komplett anders läuft und die Katze zeigen kann, was sie wirklich kann: „Ich würde sagen, dass ich für einen Handball-Torwart einen extrem unorthodoxen Stil habe. Ich kann mir vorstellen, dass es komisch ist, gegen mich zu werfen. Meine Stärken sehe ich in meinen Reflexen und in meiner Schnelligkeit, auch wenn ich nicht sonderlich schnell aussehe.“ Wie er zu dieser ungewöhnlichen Spielweise gekommen sei? „Das war schon immer so, daran habe ich in all den Jahren auch nicht viel geändert. Ich will einfach nicht ausrechenbar sein und nur irgendwelche Standard-Bewegungen machen.“

„Meine Karriere war eine Achterbahnfahrt“

Der Instinkthandballer: Nikolas Katsigiannis soll den lange verletzten Mikael Appelgren bei den Rhein-Neckar Löwen vertreten.
Nikolas Katsigiannis feiert seine erste Parade im Löwen-Tor.

In 18 Jahren Profi-Handball hat Katsigiannis neben seinem einmaligen Auftreten einen schier unermesslichen Erfahrungsschatz angehäuft. Seinen Lieblingssport, seine absolute Leidenschaft, den Handball, hat er dabei mit all seinen Schattenseiten kennengelernt. „Meine Karriere war eine Achterbahnfahrt, aus der ich gestärkt hervorgegangen bin. Ich bin ein Kämpfertyp. Und genau das will ich bei den Löwen einbringen“, sagt jener Mann, den Martin Schwalb genauso wie er selbst mit einem einzigen Wort sehr treffend beschreibt: Instinkthandballer. Die Achterbahnfahrt durch den Profi-Handball führte Katze von Ahlen nach Hildesheim, weiter nach Nordhorn, Minden, Hannover, von dort über Balingen nach Erlangen, Kiel, zurück nach Erlangen – und nun nach Mannheim.

Hier in der Kurpfalz seiner jetzt schon beachtlichen Laufbahn die Krone aufzusetzen, an den Gedanken kann sich Nikolas Katsigiannis gewöhnen. Auch wenn der Vertrag auf diese Saison beschränkt ist, will er sich mit seiner Frau schnell eine Wohnung suchen, aus dem von den Löwen vermittelten Hotelzimmer ausziehen und heimisch werden in der Rhein-Neckar-Region. Denn wer weiß, wie es mit Katze und den Löwen weitergeht? „Als ich nach Erlangen kam, war das auch unter der Saison und sollte nur ein Jahr gehen.“ Am Ende waren es vier Jahre.