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Der nächste große Schritt (RNZ)

Magdeburg. Wer schon mal in der Bördelandhalle war, der wird diesen Abstecher nicht so schnell vergessen. Denn da ist vieles, das bleibt. Vor allem der Krach, die Fans, die immer Vollgas geben. 60 Minuten lang. Bedienungslos stehen sie hinter ihrer Mannschaft: schreien, klatschen, pfeifen. Beim Altmeister wird Handball gelebt, zelebriert. Selbst übermächtigen Gegnern wird diese besondere Atmosphäre ab und an zum Verhängnis. Kurzum: bei den Gladiators besteht erhöhte Stolpergefahr.

Am Ostersonntag sollten nun auch die Rhein-Neckar Löwen, der Überraschungszweite, der hartnäckigste Verfolger des THW Kiel, dran glauben. Doch die fielen nicht, die standen immer wieder auf und wurden am Ende mit einem 20:20 (11:11)-Unentschieden im Hexenkessel belohnt. „Ein ganz wichtiger Punkt“, pustete Löwen-Manager Thorsten Storm danach tief durch, „verdient haben wir ihn uns durch ganz viel Leidenschaft und Kampf.“

Dass es für die Badener diesmal richtig schwer werden würde, zeigte sich bereits beim Warmmachen. Da fehlte nämlich einer. Und zwar ein Mann, der eigentlich nicht fehlen darf. Gemeint ist Oliver Roggisch, der Abwehrchef. Der war zwar dabei, aber anders als sonst. In Jeans und Polohemd. Und einer sperrigen schwarzen Schiene am linken Bein. Was war passiert? Bereits am Mittwoch gegen Hannover hatte sich der Defensiv-Spezialist einen Innenbandriss im linken Knie zugezogen. Vier bis sechs Wochen wird er nun Zuschauer statt Hauptdarsteller sein. „Mittlerweile schicken wir eine Mischung aus erster und zweiter Mannschaft zu den Spielen.“ Sagt Storm, der Frustrierte. Im Fall von Roggisch ist die Pause besonders ärgerlich – dazu später mehr.

Hinten fehlte der lange Blonde zunächst an allen Ecken und Enden. Vorne nicht, doch auch da lief anfangs nicht viel zusammen. Zu langsam waren sie, die Gelben, ohne Ideen. Aber auf einen war Verlass: Goran Stojanovic. Der Hexer der Badener verkürzte geschickt die Winkel, ahnte meist, was auf ihn zukommt. Er war der Löwen-Held vor der Pause. Hellwach, unglaublich cool. Storm nickt und verneigt sich verbal: „Goran hat sich heute ein Sonderlob verdient. Allerdings ziehe ich vor der gesamten Mannschaft den Hut. Auch ein Kevin Bitz kommt von Mal zu Mal besser rein.“

Apropos besser, wer weiß, was passiert wäre, wenn die Schiedsrichter nach der Pause nicht plötzlich beschlossen hätten, auch mitzuspielen. Teilweise war es nämlich schon kurios, was da gepfiffen wurde. Und das vermehrt gegen die Löwen, die einige Zeitstrafen kassierten. Chaos und Hektik folgten. Ehe Andy Schmid und Co. in der Schlussphase wieder den vollen Durchblick hatten.

Was der Punkt wert ist, verdeutlicht ein Blick auf die Tabelle. Begünstigt durch die Niederlagen von Berlin (39:15 Punkte) und Hamburg (37:15) haben die Löwen (44:10) einen Riesen-Schritt in Richtung direkter Champions-League-Qualifikation gemeistert. Sieben Partien stehen für die Besten aus dem Südwesten noch aus. „Wenn man unsere personelle Situation sieht, dann ist das nicht hoch genug zu bewerten“, jubelt Storm, „im Hintergrund basteln wir seit Monaten an einer positiven Zukunft der Löwen und liegen trotz der vielen Verletzten dazu auf dem zweiten Platz der Bundesliga. Unglaublich!“

Genug gefreut, zurück zu Roggisch. Der hat seine Rolle als „Bankangestellter“ nämlich einem Spanier zu verdanken. Sein Name: Juan Andreu. Seine Position: Kreisläufer. Gegen die Löwen mimte er zwischenzeitlich aber auch mal den sterbenden Schwan. Oder eher einen nassen Sack. Ohne Fremdeinwirkung kippte er plötzlich um, krachte mit seinem massigen Körper seitlich in Roggisch hinein. Wollte Andreu etwa sogar eine Verletzung beim Abwehrchef der Löwen provozieren? „Nein, das glaube ich nicht“, relativiert Storm, „er wollte vielmehr eine Zeitstrafe oder einen Siebenmeter schinden und das obwohl der Ball überhaupt nicht in der Nähe war.“ Dinge, die man so eher vom Fußball kennt. Doch das war einmal. Storm sagt: „Das sind Unarten, die leider auch im Handball immer mehr zunehmen.“

Wie auch immer, Roggisch merkte man die Showeinlage des Spaniers zunächst nicht an. Der Löwen-Mann spielte am Mittwoch noch weiter. Storm dazu: „Er ist nun einmal Mr. Adrenalin.“ Gut, dass nun erstmal Pause ist.

SC Magdeburg: Rojewski 5, Kneer 3, Robert Weber 3, Schäpsmeier 3, Tönnesen 2/1, Grafenhorst 1, Jurecki 1, Landsberg 1, van Olphen 1

Löwen: Petersson 6, Schmid 4/2, Sesum 4, Groetzki 3, Myrhol 2, Sigurmannsson 1

Zuschauer: 6567
Strafminuten: 8/8

Von Daniel Hund