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Der Regisseur mit der Fernbedienung

Heidelberg. Im Januar 2007 war er noch mittendrin statt nur dabei, glänzte als Denker und Lenker, als Ideengeber. Unter seiner Regie holte sich die polnische Handball Nationalmannschaft die Silbermedaille bei der Weltmeisterschaft in Deutschland. Daran erinnert sich Grzegorz Tkaczyk gerne, gerade in den letzten Monaten: 2009 war für den Spielmacher der Rhein Neckar Löwen ein bitteres Jahr, ein Seuchenjahr. Schuld ist das Knie. Das linke: Immer wieder zwickte es, zwang ihn zu zwei Operationen, die lange Pausen nach sich zogen und ziehen. ,,Die EM in Österreich ist nach der WM in Kroatien nun schon das zweite Handball Großereignis, bei dem ich zuschauen muss“, stöhnt der Rechtshänder frustriert.

Couch statt ,,Platte“, Fernbedienung statt Harzball. Für einen wie Tkaczyk, einen Vollblut Sportler durch und durch, ist das hart, verdammt hart: ,,Vor dem Fernseher bin ich sehr unruhig, ich will helfen, kann aber nicht. Ich mag solche Situationen nicht.“ Hilflosigkeit macht sich dann breit. Doch die Leidenszeit ist glücklicherweise bald vorbei, meint er, hofft er: ,,Wenn alles glattläuft, kann ich schon am 7. Februar im DHB Pokalviertelfinale in Göppingen wieder mit dabei sein.“ Das ist sein Ziel für das der Mann mit dem Rockstar Image alles geben möchte.

Langweilig wird es ihm bis dahin nicht. Der EM sei Dank. Tkaczyk saugt alles auf, verpasst kaum ein Spiel. Die Auftritte der Polen ohnehin nicht. Für ihn ist das Ehrensache, Daumendrücken Pflicht. Der Gruppensieg seiner Landsleute überrascht den Tattoo Fan übrigens keineswegs. Er sagt: ,,Wir haben eigentlich auf jeder Position zwei Topleute, die auch schon bei der WM in Kroatien bewiesen haben, was sie können!“

Einen ganz großes Anteil an der Erfolgsgeschichte in der Alpenrepublik hat aus seiner Sicht aber vor allem ein Ass: ,,Kasa“ Szmal, sein Kumpel. Tkaczyk ist begeistert von ihm. Seine Reflexe, seine Gelassenheit, sein Auge: Szmal wirkt wie eine Mauer, schier unüberwindbar und stark. ,,Er ist unser Rückhalt, er spielt bislang ein überragendes Turnier“, schmunzelt Tkaczyk. Widerspruch zwecklos. Denn auch in der Vorrunden Statistik, veröffentlicht im Internetportal von sport1.de, hat der Löwen Hexer die Nase vorne. Von 135 Würfen entschärfte Szmal 57, was eine Quote von 42 Prozent ergibt. Besser ist keiner. Bei den Löwen reiben sie sich die Augen, können nicht glauben, dass ,,Kasa“ ein Ding nach dem anderen rausfischt. Schließlich stand er in der Bundesliga-Hinrunde häufiger neben sich, brachte oft nur selten die Hand an den Ball! Ist er für sein Land etwa mit mehr Engagement bei der Sache, konzentrierter? Menschen, die ihm sehr nahe stehen, sagen nein. Vielmehr soll es daran liegen, dass er in der polnischen Nationalmannschaft die uneingeschränkte Nummer eins ist, das vollste Vertrauen geniest und er aus der daraus resultierenden Ruhe die nötige Kraft schöpft.

Wie auch immer: Es wirkt. Hält er weiter so, ist alles drin. An den EM Titel glaubt sein Landsmann aber nur bedingt. ,,Bis dahin ist es noch ein ganz langer Weg“, weiß Tkaczyk: ,,Wir müssen uns von Spiel zu Spiel konzentrieren, dürfen niemanden unterschätzen.“ Frankreich sowieso nicht. Aber das wird auch nicht passieren. Denn Karol Bielecki und Co. denken ähnlich wie ihr verletzter Regisseur: ,,Die Franzosen sind trotz der schwachen Vorrunde mein Topfavorit. Sie werden sich steigern ­ ganz sicher“, erklärt Tkaczyk.

Selbst die deutsche Sieben hatte der 29 Jährige am Samstag noch nicht abgeschrieben. Der große kämpferische Einsatz der Brand Männer imponiert ihm. Und der kann am Ende vielleicht noch für den einen oder anderen Sieg gut sein. ,,Sie geben sich nie auf, sind mit einer großen Leidenschaft bei der Sache“, lobt er. Zum Halbfinale reicht es trotzdem nicht mehr ­ zu Platz fünf dagegen schon.

Daniel Hund