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Der Sternensammler (MM)

Nach jedem gewonnenen Titel und jedem geborenen Kind geht der neue Löwen-Trainer Nikolaj Jacobsen zum Tätowierer

MANNHEIM. Drei große Sterne zieren den rechten Unterarm von Nikolaj Jacobsen. Sie stehen für seinen ganzen Stolz, für sein privates Glück: Für seine Kinder Freja, Sille und Linus. Die zwei Töchter, der Sohn und seine Frau Lenette – sie sind der Mittelpunkt seines Lebens. Neben Handball, versteht sich. „Ich liebe meine Familie, aber auch meinen Sport“, sagt der 41-Jährige, „ich kann nicht jeden Tag um 16 Uhr Feierabend machen und auf dem Sofa sitzen.“

Der Handball, er hat ihm viel gegeben. Unter anderem 16 Titel als Trainer und Spieler. 15 kleine Sterne hat er sich deshalb ebenfalls auf den Arm stechen lassen. „Ein Tattoo fehlt, das muss ich nachholen“, sagt Jacobsen und lacht. Sein Entschluss steht fest: Die in diesem Jahr mit Aalborg gewonnene Meisterschaft wird sich schon bald auf seiner Haut mit einem Stern wiederfinden.

Löwen bestätigen Wechsel

Völlig überraschend gewann der ehemalige Weltklasse-Linksaußen mit dem Klub aus der Region Nordjylland den Titel in seinem Heimatland – und das in seinem ersten Jahr als Cheftrainer. Kein Wunder, dass die Rhein-Neckar Löwen auf den sympathischen Dänen aufmerksam wurden und ihn zur Saison 2014/2015 zum Nachfolger von Gudmundur Gudmundsson, der dänischer Nationaltrainer wird, machen. Gestern bestätigte der Handball-Bundesligist die Einigung mit Jacobsen, der einen Vertrag bis 2016 erhält. Über seine Verpflichtung hatte diese Zeitung bereits in der vergangenen Woche exklusiv berichtet.

„Ich bin froh, dass mein Wechsel jetzt endlich offiziell ist und ich mehr sagen kann als ‚kein Kommentar‘. Die Erleichterung ist wirklich groß“, räumt der ehemalige Spieler des THW Kiel ein: „Gudmundur hat bei den Löwen in den vergangenen drei Jahren etwas Tolles aufgebaut. Ich habe großen Respekt vor ihm und möchte seine Arbeit weiterführen, damit das Team noch stärker wird.“

Die Entwicklung des Klubs, der binnen weniger Jahre von der Zweiten Liga in die Champions League durchstartete, hat Jacobsen genau verfolgt. Kurioserweise bestritt er gegen die SG Kronau/Östringen, aus der die Löwen hervorgingen, sein allerletztes Spiel im THW-Trikot: „Ich erinnere mich genau daran. Wir haben gewonnen – und zwar ziemlich hoch. Das Ergebnis habe ich allerdings vergessen.“ Es endete 36:20 für Kiel, Jacobsen erzielte zwei Treffer. Das war im Mai 2004.

Mittlerweile sind die Badener näher an die Norddeutschen herangerückt und selbst zu einer Spitzenmannschaft gereift. „Ich hatte wundervolle Jahre in Kiel. Dieser Klub bedeutet mir unheimlich viel. Es wird bestimmt nicht einfach, wenn ich das erste Mal gegen den THW antrete“, sagt der neue Löwen-Coach, der an der Ostsee mit dem eigenwilligen Erfolgstrainer Zvonimir Serdarusic zusammenarbeitete.

„Was den Handball angeht, lagen wir auf einer Wellenlänge. In persönlicher Hinsicht eher nicht“, meint der 41-Jährige und lacht. Auf der einen Seite der knorrige Serdarusic, auf der anderen der lebensfrohe Jacobsen – größer könnten die Unterschiede kaum sein. Trotzdem habe er viel von seinem Ex-Trainer gelernt, sagt der Däne, der jetzt jedoch seinen eigenen Weg geht: „Ich verlange von meinen Jungs die richtige Einstellung, möchte Leidenschaft sehen. Und die Spieler sollen Spaß haben. Ich sage ihnen immer wieder: Ihr habt den besten Job der Welt, ich den zweitbesten.“

In Dänemark wird Jacobsen für seine Arbeit mit Lob überschüttet. Er verfüge über eine ausgesprochene Siegermentalität, könne seine Spieler begeistern und ein Team mit seiner kommunikativen Art sehr gut führen, heißt es. Seine größte Stärke sei jedoch sein taktisches Verständnis. „In der Offensive erwarte ich schnellen, attraktiven Handball, in der Abwehr erwarte ich Variabilität. Eine Mannschaft sollte immer mehrere Defensivvarianten beherrschen“, gewährt der 41-Jährige einen Einblick in seine Gedanken.

Die Worte sprudeln nur so aus ihm heraus. Keine Frage: Wenn er über Handball spricht, ist Jacobsen in seinem Element. In der vergangenen Saison trainierte der ehemalige Kieler nicht nur den Erstligisten Aalborg, sondern auch noch die Mannschaften seiner beiden Töchter. Als Sille vor ein paar Jahren in der U 10 spielte, wurde er auch mit diesem Team dänischer Meister. „Es gibt mir unheimlich viel, mit jungen Menschen zu arbeiten“, sagt der Däne, der nach seiner aktiven Karriere zunächst an einem Sport-Gymnasium als Lehrer arbeitete und dort Handball unterrichtete: „Ich kann mir gut vorstellen, irgendwann in diesen Beruf zurückkehren.“

Doch zunächst einmal will er sich den Löwen widmen, auf dem Unterarm ist noch Platz für ein paar Sterne – und zwar kleine.

Von Marc Stevermüer