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Der Tiger unter den Katzen

Mannheim. Thorsten Storm stand draußen, direkt vor dem Spielertunnel der Mannheimer SAP Arena. Der Manager wartete. Fröhlich sah er aus nach dem Last-Minute-Sieg über Celje. Aber vor allem eins: erleichtert. Nach und nach schlenderte sein Personal vorbei. Storm lächelte ihnen zu, gratulierte augenzwinkernd. Allen, bis auf einen: Gudjon Valur Sigurdsson. Der Anführer, der Kapitän, der, der so lange schmerzlich vermisst worden war, bekam ein Sonderlob: Eine Umarmung, ein kurzer, wortloser Schulterschluss. Storm im RNZ-Gespräch: „Sein Comeback hat zeitlich optimal gepasst. Da ist ein großer Spieler zurückgekehrt, der einen enormen Anteil am Sieg hatte. Goggis enormer Wille war mit ausschlaggebend.“

Ein Vorzug, den man am Samstag bei kaum einem seiner Kollegen entdecken konnte. Müde wirkten sie, total ausgepumpt. Storm hatte dafür Verständnis: „Nach solch einem Hammerprogramm ist es ganz normal, dass die Jungs im Kopf und Körper müde sind.“

Bei Sigurdsson, der zuletzt rund zehn Monate nach einer Knie-Operation pausieren musste, war das anders. Doch der Isländer musste sich beim königlichen Duell gegen die Slowenen gedulden. Erst nach der Pause durfte er wirbeln: Der Blondschopf kam für Publikumsliebling Uwe Gensheimer, rückte auf die linke Seite, auf seine geliebte Außenbahn. Wie heiß er war, erkannte man an seinen Augen. Sie leuchteten, funkelten um die Wette. Richtig hungrig sah er aus, der Oberlöwe.

Die Gäste bekamen seinen Appetit rasch zu spüren: In der 43. Minute schloss der 31-Jährige einen Kempa-Trick in schwindelerregender Höhe zum 22:23 ab. Ein Traumtor, das die Arena-Kundschaft in Extase versetzte. Kurz da_ rauf schlug er noch zwei Mal zu. Eiskalt und abgezockt. Gudmundur Gudmundsson, sein Trainer und Landsmann, fand’s klasse: „Seine enorme Geschwindigkeit und diese Leidenschaft, mit der er auf dem Feld agiert, sind einfach nur phänomenal.“

Und Sigurdsson selbst? Wie geht er mit derart viel Lob um? Vorsichtig! Er hält den Ball flach, spielt auf Zeit: „Bis ich wieder bei hundert Prozent meines Leistungsvermögens bin, dauert es noch eine ganze Weile.“ Aber wie ist dann sein bärenstarker Auftritt gegen Celje zu erklären? Ganz simpel, zumindest, wenn es nach Sigurdsson geht: „Da waren heute ganz viele Emotionen mit im Spiel, ganz viele.“ Auch Glückshormone genannt.

Zu einem Dauergrinsen reichte es am Samstagnachmittag allerdings nicht. Beim Rückkehrer ohnehin nicht. Er ist ein Perfektionist, selbstkritisch ohne Ende. Der Kapitän hat immer das Ganze im Blick, die komplette Mannschaft. Und was er diesmal erlebte, gefiel ihm nicht: „Wir haben heute ein richtig schlechtes Spiel abgeliefert“, pustete er tief durch, „am Ende können wir nur froh sein, dass uns das keine Punkte gekostet hat.“

Starke Worte, angebrachte Worte. Und dann hatte es der „Island-Turbo“ plötzlich eilig. Schnell unter die Dusche, rein in den feinen Anzug – das war der Plan. Für die Löwen war der Samstagabend nämlich ein festlicher. Geschlossen ging’s zum „Ball der Sterne“ in den Mannheimer Rosengarten. Sigurdsson seufzte: „Dort kommen wir mal auf andere Gedanken.“

Von Daniel Hund

 06.12.2010