Veröffentlichung:

Der Titeltraum lebt weiter (RNZ)

Mannheim. Um kurz nach 20 Uhr, die zweite Halbzeit war gerade ein paar Minuten alt, war Thorsten Storm plötzlich weg, verschwunden in den Katakomben. Zurück kam er verändert: Ohne dicken Pullover, mit dünnem Hemd. Der Manager der Rhein-Neckar Löwen hatte sich umgezogen. Vorsorglich. Als Maßnahme gegen einen unsichtbaren Feind: den Angstschweiß. Der breitete sich zu diesem Zeitpunkt nämlich überall in der Mannheimer MWS-Halle aus. Bei jedem. Bei allen, die für die Löwen waren. Denn genau die hatten plötzlich Probleme, wankten dem Achtelfinal-Aus im EHFCup entgegen. Eskilstuna Guif legte immer wieder vor, um am Ende doch das Nachsehen zu haben. Bissige und abgezockte Löwen machten ihnen einen Strich durch die Rechnung, warfen sich noch zu einem 39:36 (15:15)-Sieg.

Danach war der Kleinste dann wieder ganz groß. Gudmundur Gudmundsson, der Trainer der Gelben, stand im Kabinengang, die Hände lässig in den Hosentaschen vergraben, versuchte er das in Worte zu fassen, was ihm zuvor 60 Minuten lang Kopfzerbrechen bereitet hatte: „Zwischendurch“, pustete Gudmi tief durch, „zwischendurch habe ich schon ein wenig gezittert, aber ehrlich gesagt hatte ich immer das Gefühl, dass das heute klappen wird.“

Na dann. Ausgesehen hat es danach jedenfalls nicht immer. Besonders zwischen der 20. und der 45. Minute nicht. Eben in der Phase, in der bei Uwe Gensheimer und Co. vieles schief ging, nur wenig klappte und Gudmundsson in bester Rumpelstilzchen-Manier die Seitenlinie hoch und runter raste. Die Schweden schnupperten am Viertelfinaleinzug, setzten permanent kleine Nadelstiche.

Mit Tempo, mit Spielwitz, mit ganz schnellen Beinen. Gudmundsson nickt: „Das haben sie ganz bewusst gemacht. Sie wussten ja, dass wir keine Alternativen auf der Bank haben, nur deshalb drückten sie so aufs Tempo.“ Und im Klartext: Die schnelle schwedische Mitte durchkreuzte Gudmundssons Pläne im Herzen der Kurpfalz. Gerade der Angriff-Abwehrwechsel litt darunter.

Wobei es gar nicht so weit hätte kommen müssen. Schließlich schien die Löwenjagd bereits nach 15 Minuten beendet zu sein. 9:4 führten sie da. Spielten sicher, trafen aus allen Lagen. Und warum dann der Einbruch? Weil sich der Schlendrian einschlich. Gerade auch bei Krzysztof Lijewski. Der angeschlagene Pole (Knieprobleme) wirkte indisponiert, nahm sich Würfe, die er nicht hätte nehmen müssen. Storm hat das auch gesehen, kritisierte seinen Halbrechten aber nicht dafür: „Krzysztof kreide ich gar nichts an. Er ist nach wie vor verletzt und hilft uns dennoch: So etwas macht nicht jeder.“

Apropos verletzt. Patrick Groetzki gab am Samstag sein Comeback. 20 Minuten lang, in der nervenaufreibenden Crunch- Time. Ein Kurzeinsatz, der sich lohnte. Der rechte Flügelmann machte das, was er am besten kann: treffen. Vier Mal versenkte er die kleine Harzkugel in den Maschen. Wichtige, entscheidende Tore waren das.

Treffer, die den Löwen auch im Viertelfinale weiterhelfen sollen. Der Gegner wird am Dienstag in Wien ausgelost. Einen Wunschgegner gibt es nicht. Gudmundsson, der Diplomatische: „Schön wäre es, wenn wir nicht so weit reisen müssten.“ Frisch Auf Göppingen vielleicht? Ein Los, das Storm nicht ganz so prickelnd fände: „Es ist ein internationaler Wettbewerb und da passen Gegner aus dem Ausland besser. Andererseits wird es sich bald vielleicht nicht mehr vermeiden lassen, dass wir auf deutsche Mannschaften treffen.“

Wenig später war Storm selbst wieder dran: mit umziehen. Der Manager wurde zum Kapitän, zum Seemann, verkleidete

sich für die nachgezogene Geburtstagsparty der Roth-Zwillinge. Ein Kostüm, das selbst am Aschermittwoch – gewissermaßen – noch aktuell sein wird.  Denn dann liegt das badische Handball-

Flaggschiff an der Ostsee bei Kiel vor Anker. Dort wird der Wellengang noch höher sein als am Samstag gegen tapfere Schweden. Eigentlich gleicht das Bundesliga- Gastspiel gar einem Himmelfahrtskommando. Andererseits: Irgendwann ist auch mal der bislang verlustpunktfreie Spitzenreiter fällig! Aber ausgerechnet am Mittwoch, ausgerechnet gegen die Löwen?

Gudmundsson hält sich bedeckt, verzichtet auf Kampfansagen: „Die werden sicher auch ihr 21. Spiel gewinnen wollen“, schmunzelt der Isländer, „aber warten wir doch einfach mal ab, was am Ende passieren wird.“ Das hört sich nach einem Plan an. Einem guten.

Löwen: Gensheimer 9/3, Bielecki 5, Müller 5, Myrhol 4, Schmid 4, Lijewski 4, Groetzki 4, Cupic 3, Gunnarsson 1. Zuschauer: 1600

Von Daniel Hund

 20.02.2012