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Der Überflieger (RNZ)

Mannheim. Platz war nirgends. Links nicht, rechts nicht und auch in der Mitte nicht. Die Bank der Rhein-Neckar Löwen war am Mittwochabend gegen den TSV Hannover-Burgdorf voll. Spieler, Trainer und Betreuer saßen dort. Wie immer eben. Doch irgendwie auch anders. Denn unter Henning Fritz und Co. mischten sich zwei Männer, die kaum jemand kennt, die sonst nie in der ersten Reihe sitzen: Kai Dippe und Nicolas Herrmann.  Zwei Nachwuchsmänner aus der eigenen A-Jugend, Seite an Seite, zwischen den Großen, den Stars der Gelben. Sie rückten nach, ersetzten die Verletzten.

Und lange Zeit schien es so, als wäre das nur eine Randnotiz, als seien sie nur Statisten, Füller für den Spielberichtsbogen. Aber es kam anders. Rund fünf Minuten vor Schluss wurde für sie ein Traum wahr: Löwen-Trainer Gudmundur Gudmundsson schickte sie raus, rein ins harte Bundesliga-Geschäft. Es war eine Art Vorgeschmack, eine Kostprobe der neuen Löwen, des baldigen badischen Jugendstils. Platz machte für die jungen Wilden einer, der selbst noch zu den Jungen gehört, aber spielt wie ein alter Hase. Gemeint ist der Kapitän. Uwe, die Tormaschine, Gensheimer. War der stark gegen Hannover. Sage und schreibe 14 Treffer schenkte der Friedrichsfelder den Gästen beim 35:27-Heimsieg ein. Weltklasse, einfach nur Weltklasse. Er selbst sah es wohl ähnlich, sagte es jedoch nicht, blieb seinen Prinzipien treu: „Ihr wisst doch, über mich selbst rede ich nicht so gerne“, schmunzelte der Held vom Spielfeld im Medienplausch.

Andere taten es aber, fanden die richtigen Worte. Thorsten Storm, der Manager,zum Beispiel: „Uwe ist unser Anführer. Einer der Besten der Welt, der mit dem großen Löwen-Herz.“ Und weiter: „Er macht Tore, die macht kein anderer auf dieser Welt.“

Insbesondere das eine, das in der 54. Minute. Und das fiel so: Gensheimer scheiterte zunächst per Siebenmeter, schaute hoch, sah den Ball, fing ihn mit dem Rücken zum Tor und leitete die Harzkugel sofort per Rückhandwurf im hohen Bogen in die Maschen. One-Touch-Handball! Ein unglaubliches Tor! Derart unglaublich, dass selbst Gudmi, der normalerweise 60 Minuten lang unter Starkstrom steht, alles um sich herum vergaß und einfach mal herzhaft und ungezwungen drauf los lachte.

Dass es sein Abend werden könnte, wusste Gensheimer übrigens schon früh. Der Linksaußen: „Als ich vor dem Spiel in die Halle kam, habe ich mir nur gedacht: ’Man, warst du schon lange nicht mehr hier’. Ich hatte richtig Lust und Spaß mal wieder in der SAP Arena zu spielen.“ Am Samstag ist er wieder woanders.

In Mannheim, Stadtteil Herzogenried, MWS-Halle. Zusammen mit seinen Mitspielern will der Kapitän das Viertelfinal-Ticket im EHF-Cup lösen. Und das wird nicht einfach. Im Hinspiel mühten sich die Löwen bei den Schweden von Eskilstuna Guif zu einem knappen 35:34-Erfolg. „Es wird sicher wieder eine schwere Aufgabe für uns. Das ist ein ganz spielfreudiges Team, das blitzschnell auf taktische Veränderungen reagieren kann“, weiß Gensheimer. Ein Kraftakt ist jedenfalls vorprogrammiert. Denn personell tut sich wohl nicht viel. Lediglich Rechtsaußen Patrick Groetzki könnte auf die Platte zurückkehren.

Wie läuft es eigentlich bei Zarko Sesum und seinem verletzten Auge? Gudmi: „Nicht so toll. Leider kann er erst nächste Woche operiert werden.“

Von Daniel Hund

 17.02.2012