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DHB-Adler verzweifeln an Kuzmanovic

Deutschland verliert gegen Kroatien und darf dennoch vom ganz großen Wurf träumen

Juri Knorr gelingen drei Treffer

DHB-Adler verzweifeln an Kuzmanovic: Die deutsche Nationalmannschaft hat eines ihrer großen Ziele erreicht: Trotz der 24:30-Niederlage gegen Kroatien zieht die Mannschaft von Bundestrainer Alfred Gislason nicht nur in das Halbfinale der Heim-Europameisterschaft ein, sondern hat, durch den Sprung unter die Top Vier Europas, zudem bereits vorzeitig das Ticket für die WM 2025 sicher.

Im Vorfeld wurde es zum großen „Showdown-Spiel“ deklariert, doch bereits vor Anpfiff dürfte der „Nervenkitzel“ auf beiden Seiten größtenteils verfolgen sein. Etwaige Rechenspiele und „Was-wäre-Wenn-Szenarien“ können bereits vor Anpfiff des letzten Gruppenspiels aus den Köpfen der Spieler und Fans gestrichen werden. Da die Kontrahenten Österreich (gegen Island) und Ungarn (gegen Frankreich) ihre Partien im Vorfeld verlieren, steht Deutschland bereits vor Anwurf als Halbfinalist fest. Ein Grund das Spiel gegen Kroaten auf die leichte Schulter zu nehmen, ist dies für die DHB-Adler selbstverständlich nicht. Das Credo des Duells gegen den WM-Neunten: Selbstvertrauen tanken und mit einem guten Gefühl in Richtung Halbfinale stürmen.

Der erste Treffer des Spiels geht auf das Konto der Kroaten, die in Person von Luka Klarica in Führung gehen. Diese hält nur wenige Sekunden, denn dann ist Löwen-Spielmacher Juri Knorr zur Stelle, läuft gewohnt dynamisch auf die kroatische Defensive zu und knallt das Spielgerät per Unterarmwurf in die Maschen (1:1 / 2. Minute). Von „Schongang“ wollen beide Mannschaften definitiv nichts wissen – ganz im Gegenteil: Bereits sieben Treffer fallen nach viereinhalb Minuten. Das 4:3 durch den Kieler Rune Dahmke ist das Ergebnis eines flüssigen und sicheren Passspiels der DHB-Angriffsreihe. Einmal mehr ist es Andreas Wolff, der mit starken Paraden auf sich aufmerksam macht und die Zuschauer in der ausverkauften Lanxess Arena mitreißt. So steht der Weltklasse-Keeper nach zehn Spielminuten bei fünf Paraden und einer zwischenzeitlichen Fangquote von über 55%.

Dass die Kroaten nach elf Minuten dennoch mit 5:6 in Führung gehen, liegt vor allem am DHB-Team selbst, welches die ein oder andere klare Torchance auslässt und am starken Dominik Kuzmanovic scheitert. Stark, wie die deutsche Mannschaft eine doppelte Unterzahl unbeschadet übersteht und kurz darauf Andreas Wolff den Zwei-Tore-Rückstand (noch) verhindert (6:7 / 17. Minute). Auftakthandlung Juri, starke Stoßbewegung von Julian Köster und dann ist es U21-Weltmeister Renars Uscins, der den Ausgleich für das DHB-Team besorgt (8:8 / 19. Minute). Dass die Kroaten wenige später wieder mit zwei Toren führen, ist ebenso, aus Sicht Deutschlands, aufgrund der mangelhaften Chancenverwertung selbstverschuldet, wie, aus neutraler Handball-Perspektive, respektabweisend. Mit viel Engagement geht das Team von der Balkanhalbinsel an diesem Abend zu Werke, kommt vor allem über das Zusammenspiel mit dem Kreis immer wieder zu Torerfolgen und hat in Kuzmanovic einen gut aufgelegten Rückhalt. Den 10:12-Treffer (24. Minute) hängt der kroatische Welthandballer Domagoj Duvnjak förmlich in den Winkel.

Umso beeindruckender ist die Schlussphase der deutschen Mannschaft. Das Team von Alfred Gislason berappelt sich und legt, mit einem 4:0-Lauf, einen fantastischen Schlussspurt hin. So ist es Sebastian Heymann, der die 14:13-Halbzeitführung erzielt. Ein Vorsprung, der mit einer konsequenteren Chancenverwertung auch durchaus deutlicher hätte ausfallen können.

DHB-Adler verzweifeln an Kuzmanovic: David Späth übernimmt für Andreas Wolff

David Späth bejubelt, gewohnt emotional, eine Parade

Die zweite Hälfte startet mit einem Knall – allerdings leider nur an den Pfosten der Kroaten, als Löwen-Profi Jannik Kohlbacher am Kreis zum „Rebound-Wurf“ kommt. Teamkollege David Späth hingegen startet optimal in den zweiten Spielabschnitt, pariert direkt den ersten Wurf auf sein Gehäuse und setzt im Anschluss zu seinem emotionalen Jubel an. Klasse wie Sebastian Heymann nach einem missglückten Angriff des DHB-Teams blitzschnell den Weg zurück in die Defensive macht und dadurch einen weiten Passversuch von Domagoj Duvnjak abfängt. Während es personell diverse Wechsel gibt, bleiben zwei Sachverhalte auch in der Anfangsphase der 2. Halbzeit unverändert: Deutschland lässt weiterhin zu viele Chancen liegen und der kroatische Schlussmann Dominik Kuzmanovic (13 Paraden nach 39. Minuten) hat einen Sahnetag erwischt.

Genial wie David Späth, förmlich angestachelt von der Leistung seines Gegenübers, in die Partie reinfindet, den Kroaten zwei Hundertprozentige abkauft. Wichtige Paraden in einer Phase, in der die deutsche Mannschaft, man muss es so formulieren, Chancenwucher betreibt. Die Kroaten nutzen diese Schwächephase geschickt aus und setzen sich, dank eines 6:0-Laufs, mit 19:25 ab (50. Minute). So setzt sich das Bild des bisherigen Spiels fort: Deutschland kommt in wünschenswerter Regelmäßigkeit zu Abschlüssen, scheitert jedoch viel zu oft am überragenden Kuzmanovic, der die DHB-Akteure sowie die Zuschauer in der Kölner-Handball-Kathedrale schier zur Verzweiflung bringt.

Nach einer Späth-Parade, beim Stand von 22:26 und sieben Minuten vor Schluss, treibt Juri Knorr das Spielgerät nach vorne und findet Renars Uscins. Der Hannoveraner taucht vor Kuzmanovic auf und hat die Chance, das Duell noch einmal aufzumachen. Leider findet auch der junge Hannoveraner an diesem Abend seinen Meister in dem Torhüter von RK Nexe. Die 20. Parade des jungen Keepers ist eine mit Signalwirkung. So haben die Kroaten durchaus die Chance, Deutschland eine noch herbere Niederlage zuzufügen – allein David Späth hat diesem Vorhaben in der Schlussphase etwas entgegenzusetzen. So sammelt der junge Löwen-Torhüter acht Paraden in der zweiten Halbzeit. Die 24:30-Niederlage kann er allerdings nicht verhindern.

Am kommenden Freitag, um 20:30 Uhr, geht es für das DHB-Team im Halbfinale um die erste EM-Medaille seit acht Jahren. Gegner wird dann Weltmeister Dänemark mit Löwen-Profi Nicklas Kirkeløkke sein.

Fotos: kolektiff images/EHF & Klahn/DHB