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Ohne Angst gegen die Übermannschaft

Deutschland trifft bei der Heim-EM im Halbfinale auf Dänemark und braucht vor allem eines: Mut.

Ohne Angst gegen die Übermannschaft: Deutschland trifft bei der Heim-EM im Halbfinale auf Dänemark und braucht vor allem eines: Mut.
Jannik Kohlbacher gestikuliert auf dem Spielfeld.

Ohne Angst gegen die Übermannschaft: Fünf Jahre hat es gedauert, bis sich die deutsche Handball-Nationalmannschaft für das Halbfinale eines Top-Turniers qualifizieren konnte. Und wie schon 2019 brauchte es dafür nicht zuletzt die euphorische und euphorisierende Stimmung von den Rängen. Mit dem Erfolg und den Fans im Rücken scheint selbst gegen den Dreifach-Weltmeister nun alles möglich – auch wenn der Gegner praktisch keine Schwächen hat.

Angeführt von den Welthandballern Niklas Landin und Mikkel Hansen, gecoacht von Taktik-Genie Nikolaj Jacobsen, gespickt mit Weltklasse-Spielern auf jeder Position: Dänemark ist im Handball das Maß aller Dinge. Das Duo Mathias Gidsel / Simon Pytlick hat dem Turnier bereits kräftig seinen Stempel aufgedrückt, genauso wie Magnus Saugstrup, der vorne und hinten eine zentrale Rolle einnimmt. Emil Jakobsen als aktuell vielleicht bester Linksaußen der Welt rundet das Ensemble formschön ab. Dass die Dänen dazu auf der Bank für jede Position einen nahezu gleichwertigen Ersatz haben, macht sie geradezu unheimlich. Und auf rechts außen steht ein guter Bekannter.  

Rhein-Neckar Löwe Niclas Kirkeløkke ist der Funktionsspieler im Team des Weltmeisters. Weil er auf halb decken und damit Gidsel in der Abwehr entlasten kann, hat der eigentliche Halbrechte einen Stammplatz in der besten ersten Sieben der Welt. Ein Glücksfall, den er mit starken Leistungen zurückzahlt. Kirkeløkke spielt ein tolles Turnier, macht insbesondere im Rückzug eine bockstarke Figur, setzt auch vorne das eine oder andere Highlight wie im letzten Hauptrundenspiel gegen Slowenien, bei dem er sechsmal traf und damit bester Torschütze seiner Mannschaft war.

Ohne Angst gegen die Übermannschaft: Deutschland ist nicht chancenlos

Ohne Angst gegen die Übermannschaft: Deutschland trifft bei der Heim-EM im Halbfinale auf Dänemark und braucht vor allem eines: Mut.
Niclas Kirkelökke nimmt Maß.

Weil die Dänen bereits vor der Partie als Gruppensieger und Halbfinalist feststanden, gaben sie gegen die spielstarken Slowenen nicht unbedingt das Allerletzte – und kassierten so die erste Niederlage des Turniers (25:28). Hoffnung für Deutschland? Wegen dieses einen Spiels ganz sicher nicht, denn das war nicht das Dänemark, das es ist, wenn es um etwas geht. Und dennoch: Chancenlos werden die Deutschen nicht sein am Freitagabend (20.30 Uhr/ live im ZDF und auf DYN), auch wenn die Namen und Zahlen eine klare Sprache zugunsten des nordischen Nachbarn sprechen.

Zuletzt beim Vorbereitungsturnier auf diese EM im März 2023 zeigten die Dänen gleich zweimal, wer aktuell wie einzuordnen ist. Die Ergebnisse fielen mit 28:21 und 30:23 deutlich aus. Bei der EM 2018 war es schon viel knapper. Damals setzten sich Hansen & Co. in der Hauptrunde 26:25 durch. Der vorerst letzte deutsche Sieg geht auf April 2016 zurück, als der damals amtierende Europameister Dänemark mit 33:26 das Nachsehen gab. Insgesamt hat Deutschland im direkten Vergleich mit 12:9 Siegen noch die Nase vorne – mit Betonung auf „noch“. Denn der Trend, so viel ist klar, spricht für die Jungs von Löwen-Meistertrainer Jacobsen.

„Wir stehen im Halbfinale und darüber sind wir sehr froh“, fällt die Zusammenfassung von Löwen-Keeper David Späth am Mittwochabend nach dem Kroatien-Spiel genauso kurz wie prägnant aus. Das große Ziel ist erreicht. Alles andere ist Bonus. Zumal jeder weiß, wer am Freitag die Favoritenrolle hat. Jannik Kohlbacher und Juri Knorr, die beiden anderen Löwen-Protagonisten, haben wie Kollege Späth gegen Kroatien geliefert und können selbstbewusst in das Duell mit Landin & Co. gehen – auch wenn Spielmacher Knorr unmittelbar nach der Niederlage noch die Schattenseiten betonte und sich für den insgesamt zu laxen Auftritt Deutschlands bei den Fans entschuldigte.

Auch Bundestrainer Alfred Gislason zeigte sich bedient von dem Fehlerfestival seiner Mannschaft, die 22 überwiegend freie Abschlüsse liegenließ. Und doch muss man kein Prophet sein, um behaupten zu können, dass spätestens ab diesem Donnerstagmorgen der volle Fokus aufs Halbfinale und auf Dänemark geht. Mit den Fans im Rücken und genügend Mumm in den Knochen kann dann alles möglich sein – sogar ein Sieg gegen die Übermannschaft.

Bilder: Sascha Klahn / DHB / kolektiff images/EHF