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„Die alleinige Schuld liegt nicht bei den Vereinen“

Mannheim. Der deutsche Handball liegt nach dem WM-Debakel am Boden. Als Schuldige für die Misere wurden die Klubs ausgemacht. Das will Thorsten Storm, Manager der Rhein-Neckar Löwen, so aber nicht stehenlassen. Im Gespräch mit dieser Zeitung äußert er sich zu den Problemen des deutschen Handballs:

DHB-Auswahl: „Diese Mannschaft ist nicht schlechter als Island, Norwegen oder Ungarn. Aber letztendlich hat sich das Team im Verlauf des Turniers selbst runtergezogen. Ich sehe die alleinige Schuld für das schlechte Abschneiden aber nicht bei den Klubs. 2007 sind die Vereine ja auch nicht dafür gelobt worden, dass wir Weltmeister wurden. Natürlich gibt es verschiedene Interessen zwischen Verband und Liga, aber die Kommunikation zwischen den beiden Parteien ist schlecht. Da muss sich jeder an die eigene Nase fassen – die Klubs, aber auch der DHB. Das passt zurzeit leider nicht. Es geht aber nur gemeinsam.“

Talentförderung: „Vielleicht werden die deutschen Talente falsch gefördert, wir schauen im Juniorenbereich zu sehr auf Titel. Ich denke, die individuellen Qualitäten und die körperlichen Voraussetzungen müssen mehr trainiert und Führungspersönlichkeiten entwickelt werden. Quantität gibt es genug, der DHB ist der größte Verband der Welt. Unter diesen vielen Nachwuchs-Handballern sind garantiert riesige Talente, nur die müssen im Jugendbereich vielleicht anders als bisher gefördert werden, damit sie schon in jungen Jahren so weit sind, dass sie in der Bundesliga körperlich bestehen. Man muss sich nur den Franzosen William Accambray oder den Isländer Aron Palmarsson anschauen. Die spielen bei Spitzenklubs wie Montpellier und Kiel und sind in jungen Jahren viel weiter als deutsche Spieler in diesem Alter. Also scheinen Franzosen und Isländer in der individuellen Ausbildung andere Schwerpunkte zu setzen.“

Qualität deutscher Spieler: „Man kann die Klubs nicht dazu zwingen, nur junge Deutsche einzusetzen, wenn die Qualität nicht stimmt. Die Bundesliga ist die beste Liga der Welt, die Trainer stehen unter massivem Druck, die Arenen müssen gefüllt und die Spieler bezahlt werden. Der Welt-Handball funktioniert nicht mehr ohne die Bundesliga. Die besten Spieler der Welt wollen hierhin, das kann man nicht zurückdrehen und das Niveau künstlich reduzieren. Aber wir müssen auch auf den deutschen Handball achten. Nur bisher hat uns der DHB gar nicht mitgenommen. Der Grundlagenvertrag, über den diskutiert wird, hilft der Liga nicht. Die Liga benötigt mehr Mitspracherecht am Nationalteam.“

WM-Niveau: „Man hat gesehen, dass alle Spieler aus der Bundesliga platt sind. Nicht nur die Deutschen, auch die Isländer oder Polen. Es ist auch eine Frage, wie ausgeruht Bundestrainer Heiner Brand seine Bundesligaspieler vor dem Turnier bekommt. Sportlich hatte diese WM kaum einen Wert, wirtschaftlich hingegen schon – und zwar nur für die IHF. Deshalb findet dieses Turnier ja auch alle zwei Jahre statt, weil der Weltverband damit doppelt so viel Geld verdienen kann, als wenn es im sinnvollen Vier-Jahres-Rhythmus ablaufen würde. Und das Beste daran: Das Geld wandert in die Tasche der IHF und am Ende kommen die Spieler noch erschöpfter zurück.“

Von Marc Stevermüer

 29.01.2011