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„Die ganze Liga jagt uns“ (MM)

Löwen-Trainer Gudmundur Gudmundsson mahnt zur Vorsicht / Start in die Rest-Rückrunde am Mittwoch in Lübbecke

MANNHEIM. Damit hatten die Rhein-Neckar Löwen selbst nicht gerechnet. Nach 19 Spieltagen führen sie die Handball-Bundesliga-Tabelle vor dem THW Kiel an. Nach der WM-Pause, den Auftritten in DHB-Pokal und EHF-Cup starten die Badener am Mittwoch (20.15 Uhr) bei Angstgegner TuS N-Lübbecke in die Rest-Rückrunde. Trainer Gudmundur Gudmundsson weiß, dass seine Mannschaft längst nicht mehr unterschätzt wird.

Herr Gudmundsson, der Niederlage in Flensburg folgte der Sieg in Presov im EHF-Cup. Wie sehr schmerzt dennoch das Pokal-Aus?

Gudmundur Gudmundsson: Wir wären gerne zum Final Four nach Hamburg gefahren, aber leider hat es nicht geklappt. Wichtig war, dass wir dieses Spiel in Flensburg noch einmal komplett aufgearbeitet haben. Das lag mir sehr am Herzen.

Warum?

Gudmundsson: Natürlich könnten wir es uns einfach machen und sagen, in Flensburg zu verlieren ist keine Schande. Aber das machen wir nicht. Fakt ist: Wir haben dort eine sehr gute erste Halbzeit gespielt und sind nach der Pause plötzlich eingebrochen. Damit kann ich nicht zufrieden sein, denn für uns war einfach mehr drin. Wenn man eine Niederlage mehr oder weniger selbst verschuldet, müssen die Fehler sofort angesprochen werden. Das haben wir getan und jetzt schauen wir in die Zukunft.

Und die beginnt am Mittwoch beim TuS N-Lübbecke mit der Rest-Rückrunde in der Bundesliga.

Gudmundsson: Da wartet gleich ein schwieriges Auswärtsspiel auf uns. In den vergangenen Jahren haben wir uns dort immer schwer getan. Wir sind also gewarnt.

Beim TuS lief es vor der Winterpause überhaupt nicht mehr, zudem verlässt Trainer Gennadij Chalepo den Klub im Sommer.

Gudmundsson: Und genau dieses Gesamtpaket macht diese Aufgabe so gefährlich. Lübbecke hat sich in der Pause neu sortiert und will zeigen, dass es viel besser spielen kann. Diese Mannschaft ist stärker als es der jetzige 13. Tabellenplatz aussagt.

Was müssen die Löwen in den nächsten Wochen besonders beachten?

Gudmundsson: Auf uns kommt eine deutlich intensivere Belastung zu. Der EHF-Cup geht jetzt erst richtig los. Wir haben einen recht dünnen Kader, da darf nicht allzu viel passieren in personeller Hinsicht. Mit Uwe Gensheimer fehlt uns schon ein Leistungsträger. Sicherlich hätte ich gerne einen breiteren Kader, aber wir müssen auch immer die Finanzen im Blick haben.

Die Löwen sind nach 19 Spielen Erster. Jetzt können Sie nicht mehr von einer Momentaufnahme sprechen, oder?

Gudmundsson: Nein, wer nach über der Hälfte der Saison auf Platz eins steht, hat die Tabellenführung auch verdient. Wir haben richtig gut gespielt, dürfen aber nicht vergessen, dass wir viele Begegnungen nur sehr knapp gewonnen haben. Auch gegen Teams aus der unteren Tabellenhälfte wie Balingen, Minden oder Gummersbach. Wir schlagen keine Mannschaft im Vorbeigehen, daran wird sich nichts ändern. Und jetzt wollen erst recht alle gegen uns gewinnen. Wir werden von der ganzen Liga gejagt.

Sie haben vor der Saison betont, die Löwen seien jetzt nicht mehr automatisch der Favorit. Diese Rolle hat sich durch die Tabellenführung geändert.

Gudmundsson: Das mögen Außenstehende so bewerten. Wir müssen damit leben. Aber wir bleiben bescheiden und wissen das alles ganz gut einzuordnen. Nach wie vor befinden wir uns in einem Jahr des Umbruchs, wir stecken mitten im Neuaufbau. Insofern hat uns die aktuelle Entwicklung selbst ein bisschen überrascht.

Aber wenn man schon einmal oben steht . . .

Gudmundsson: Dann will man da auch bleiben. Das stimmt. Aber niemand kann damit rechnen, dass es weiter so perfekt läuft. Wir werden Niederlagen hinnehmen müssen. Und dann wird es wichtig sein, damit richtig umzugehen. Der THW Kiel hat den besten Kader und ist der Topfavorit auf den Meistertitel in dieser Saison. Aber unsere Mannschaft hat eine hervorragende Perspektive. Wir sind auf einem guten Weg, aber nicht im Ziel. Das wird noch eine Weile dauern. Unser Vorteil ist die Altersstruktur: Wir haben den Umbruch schon begonnen, andere müssen diesen Schritt noch machen. Hoffentlich gelingt es uns, dieses Team so zusammenzuhalten und dann punktuell zu verstärken.

Lange ging es in der Liga nicht mehr so spannend zu. Wo liegen die Gründe dafür?

Gudmundsson: Es gibt nicht mehr so ein extremes Leistungsgefälle. Klubs wie Melsungen, Wetzlar und Hannover haben aufgeholt, weil dort sehr gut gearbeitet wird.

Der THW ist Ihr Titelfavorit, aber an die Champions League denken die Löwen schon, oder?

Gudmundsson: Es wäre schön, wenn das klappen würde. Aber es ist keine Selbstverständlichkeit, dass wir in die Champions League einziehen. Es liegen noch viele Stolpersteine auf unserem Weg – zum Beispiel Lübbecke.

Von Marc Stevermüer