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Die Löwen ließen den Experten irren

Köln. Obwohl sie nach einem schwachen Beginn nach 15Minuten mit 5:8 im Rückstand lagen, sahen die Rhein-Neckar-Löwen gestern in der Kölner Lanxess-Arena nach einem Zwischenspurt beim 16:12-Halbzeitstand wie der sichere Sieger aus. Das sah neben den meisten der 5.917 Zuschauer in der Heimspielstätte des VfL Gummersbach auch Stefan Kretzschmar so. „Die Löwen werden ihren Stiefel jetzt runterspielen und relativ deutlich gewinnen. Man merkt bei Gummersbach, dass sie nach der Verletzung von Adrian Pfahl keinen Linkshänder mehr im Rückraum haben und dadurch geschwächt sind“, sagte der Handballpunk in der Pause, bevor er sich zurücklehnte, noch eine SMS schrieb, um dann das packende Spiel weiter für das live übertragende DSF mit zu kommentieren.

Doch der extrovertierte Ex-Nationalspieler sollte sich irren. Obwohl die Löwen ihre Führung nach 37 Minuten beim 18:12 sogar auf sechs Tore ausgebaut hatten, gaben sich die Gastgeber nicht auf und schlugen, bedingt auch durch drei Zeitstrafen für die Gelbhemden, mit einem 8:0-Lauf nicht nur zurück, 20:18 (42.), sondern führten sogar mit 22:20 (46.). Danach war das temporeiche Spiel ein offener Schlagabtausch, bei dem Karol Bielecki 40 Sekunden vor Schluss zum 27:26 für die Gäste traf, bevor Robert Gunnarsson acht Sekunde vor dem Ende den 27:27-Endstand erzielte. Einen Verzweiflungswurf von Bielecki konnte der in der zweiten Hälfte sehr starke Goran Stojanovic im VfL-Gehäuse zwei Sekunden vor Schluss noch abwehren, so dass es beim gerechten Unentschieden blieb.

Während die Gummersbacher den Punktgewinn wie einen Sieg mit einer Jubeltraube feierten, waren die Gäste konsterniert. Patrick Groetzki starrte auf den Hallenboden, während Bielecki damit haderte, dass ihn Geoffroy Krantz vor seinem letzten Wurfversuch lange festgehalten hatte, aber die Schiedsrichter Christopher Biaesch und Frank Sattler die Zeit nicht anhielten. „Das war ein Punktverlust“, sprach Löwen-Kapitän Gudjon Valur Sigurdsson das aus, was im Lager der Gäste alle dachten.

Sauer war der Ex-Gummersbacher auf die Unparteiischen, weil seiner Meinung nach die Zeitstrafen zwischen der 38. und 40. Minuten für Uwe Gensheimer, Bielecki undMichael Müller „lächerlich gewesen sind. Damit haben sie uns komplett aus der Bahn geworfen, was Gummersbach ausgenutzt hat“, zürnte der Isländer, dessen Team vier Minuten lang in doppelter Unterzahl agieren musste. Doch damit machte es sich der Linksaußen bei seiner Spielanalyse etwas zu leicht, denn was die Gelbhemden für die Groetzki eine sechsminütige Torflaute mit dem 19:20 (43.) beendete, im zweiten Abschnitt im Angriff boten, war teilweise desolat.

„Wir haben viel zu viel eins gegen eins gespielt und hatten große Probleme im Positionsspiel. Wir waren zu unbeweglich. Zudem hat uns die Geduld und Stabilität gefehlt,“, sagte Gästecoach Ola Lindgren, nachdem sein Team viele Angriffe unvorbereitet abgeschlossen hatte. Zudem behagte der Mannschaft des schwedischen Nationaltrainers nicht, dass die Gummersbacher in der zweiten Hälfte offensiver deckten.

Zwar gingen die Löwen, bei denen Neuzugang Thomas Bruhn wie Carlos Prieto nicht auf dem Spielberichtsbogen stand, selbst noch einmal mit zwei Toren, 24:22 (52.), in Führung, doch schafften sie es erneut nicht den Vorsprung zu halten. Dies lag auch daran, dass dem Tabellenfünften bei den auf Rang sieben stehenden Gummersbachern ein Kopf fehlte, der die nötige Ruhe in das hektische Treiben des Gästerudels in der Schlussphase gebracht hätte. „Wir hätten auch verlieren können. Aufgrund ihres aufopferungsvollen Einsatzes über 60 Minuten und weil sie selbst ohne Linkshänder nicht aufgegeben haben, ist der Punkt für Gummersbach verdient“, bekannte Thorsten Storm.

Dass die den Gästen nicht gerade wohl gesonnenen Schiedsrichter den artistischen Ausgleichstreffer von Gunnarsson per Rückhandwurf anerkannten, obwohl der Isländer im Kreis zu liegen schien, ärgerte den Löwen-Manager. „Gunnarsson ist die einzige Waffe, die Gummersbach noch hat, aber auch den werden die Löwen noch in den Griff bekommen“, hatte Kretzschmar zu Pause prophezeit. Doch auch in dieser Einschätzung irrte sich der frühere Weltklasselinksaußen.

Von Jürgen Heide

 09.11.2009