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Die Löwen sind reifer geworden

Heidelberg. Es gibt Momente, in denen könnte man die ganze Welt umarmen. Jeder kennt sie. Gudmundur Gudmundsson erlebte am Mittwochabend so einen. Erleichter twar er, der Trainer der Rhein-Neckar Löwen, begeistert, ja sogar ein wenig berauscht, von der Aufholjagd seines Personals beim 34:30-Sieg in Lübbecke: „Was wir die letzten zwölf Minuten gezeigt haben, war Weltklasse: Kampfstark, nervenstark, spielerisch stark – einfach überragend“, schwärmt der Isländer und legt nach, richtig nach: „Diese Phase müssen wir mitnehmen, denn sie kann uns zu einer glorreichen Zukunft verhelfen.“ Starke Worte, berechtigte Worte.

Denn gerade als es darauf ankam, waren sie da, behielten den Durchblick. Alle trumpften auf. Aber vor allem Andy Schmid, der Denker und Lenker aus der Schweiz, rückte ins Rampenlicht. Er übernahm Verantwortung, traf und traf, war quasi der Matchwinner: In den letzten acht Minuten schoss der 26-Jährige vier Tore, zwei davon in Unterzahl. Eine Topquote. Und das in einer Phase, in der vielen Spielern der Arm wackelt, sich Nervosität breit macht.

Manager Thorsten Storm, der am Mittwoch seinen 46. Geburtstag feierte und deshalb nicht mit in Lübbecke war, freute sich über das Präsent der Mannschaft: „Letztes Jahr hätten wir so ein Spiel vielleicht noch verloren. Mittlerweile hat sich unser Team aber weiterentwickelt.“

Widerspruch zwecklos. Das Rudel wirkt abgeklärter, selbstsicherer, scheint gereift zu sein. Wozu auch Partien wie nun in Lübbecke beitragen. Storm sagt: „Spiele, die du knapp gewinnst, an Tagen, an denen nicht alles klappt, bringen dich weiter. Man nutzt zwei, drei Schwächephasen des Gegners. Das verinnerlichen die Spieler dann. An Sahnetagen können hingegen auch wir alle besiegen.“

Was bleibt, ist die Frage, warum es überhaupt so spannend wurde in Lübbecke? Auch Gudmundsson grübelte, fand die Antwort aber relativ schnell: „Wir waren einfach zu langsam, nicht bereit ein hohes Tempo zu gehen“, analysierte er nüchtern. „Doch bei unserer Doppelbelastung kann das durchaus mal passieren.“

Apropos hohe Belastung, Gudmundsson steuerte ihr entgegen. Gestern war trainingsfrei. Für alle. Nur für ihn nicht. Er schuftete, machte sich schon wieder Gedanken: „Gudmi“ hatte bereits den nächsten Gegner im Hinterkopf. Und der heißt Chambery Savoie. Die Franzosen gastieren am Sonntag um 18.45 Uhr in der Eppelheimer Rhein-Neckar-Halle. Ein ungewöhnlicher Heimspielort: „Dort hat bislang kaum einer der Jungs gespielt. Deshalb werden wir in Eppelheim unser Abschlusstraining haben“, verrät Gudmundsson, der nichts dem Zufall überlässt: Bis zum Sonntag wird er noch zwei Videoeinheiten über Chambery einschieben. Er selbst führt Regie, spult vor und zurück.

Und das ist gut so: Ein Selbstläufer ist gegen Chambery nämlich nicht zu erwarten. Storm sieht es ähnlich. Er tippt auf einen heißen Tanz: „Gegen Kielce hat Chambery bewiesen, was es kann. Wir hoffen, dass uns viele unserer Fans unterstützen. Die Jungs haben sich das durch die letzten Spiele verdient.“

Von Daniel Hund

 08.10.2010