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Die Rhein-Neckar Löwen können den „Pokal-Fluch“ nicht besiegen (RNZ)

Bittere Niederlage beim Final Four in Hamburg gegen die SG Flensburg-Handewitt – „Wir sollten uns mal alle selbst hinterfragen“

Oliver Roggisch trottete gedankenverloren durch die Barclaycard Arena, Mads Mensah Larsen vergrub sein Gesicht unter dem Trikot und Kapitän Uwe Gensheimer wollte einfach nur weg. Niederlagen verarbeitet jeder anders.

Aber ganz ehrlich: Diese war eigentlich gar nicht zu verarbeiten. Nicht nach einer 26:24-Führung 60 Sekunden vor Schluss, nicht nach einem phasenweise so dominanten Auftritt. Die Gratulanten standen bereits Schlange. Und dann das: Anschlusstreffer, Rote Karte, Siebenmeter: 26:26. Verlängerung! Zehn Handball-Minuten später war es dann vorbei. Der Traum war aus. Gestorben, versenkt in der Elbe: Flensburg jubelte vor 13.200 Zuschauern über einen 31:30 (27:28/26:26/14:12)-Halbfinal-Coup beim Final Four in Hamburg gegen die Rhein-Neckar Löwen.

Worte zu finden war da schwer. Manche sprachen von Pech, andere wurden direkter, selbstkritischer. Hendrik Pekeler zum Beispiel. „Diese Niederlage“, grummelte der Europameister, „diese Niederlage haben wir ganz allein uns selbst zu zuschreiben. Sie lag nur an uns.“

Fehlt dieser begnadeten Sieben vielleicht einfach der nötige Killerinstinkt? Diese Fähigkeit, die in den entscheidenden Momenten eben gefragt ist, wenn es darum geht, die Big Points einzusammeln. Denn auch in der ersten Halbzeit der Verlängerung war man am Drücker, schaffte es ohne Rotsünder Pekeler und in doppelter Unterzahl auf zwei Treffer davon zu ziehen. Selbst eine Drei-Tore-Führung war drin. „Wir sollten uns da mal alle selbst hinterfragen“, sagte Pekeler und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Ein paar Meter weiter stand Nikolaj Jacobsen. Der Löwen-Chef lehnte an einer Wand, wippte hin und her, blickte ins Leere und redete. Beantwortete Fragen über Fragen. Vorwürfe und Schuldzuweisungen vermied er. Loben war angesagt. „Ich kann den Jungs keinen Vorwurf machen. Sie haben alles reingeworfen.“ Und weiter: „Wir werden es wieder in Hamburg versuchen, wir geben dieses Ziel nicht auf. Das verspreche ich.“

Der zehnte Anlauf ist also bereits in Planung. Man kann nur hoffen, dass dann nicht erneut Flensburg im Semifinale wartet. Heuer waren die Nordlichter bereits zum dritten Mal in Serie im Halbfinale Endstation. Trauerspiele waren es immer. Aber nie mit solch einer Dramatik. Jacobsen nickt: „Ich dachte letztes Jahr schon, dass es schlimm war. Aber das hier …“

Am Kapitän lag’s nicht. Final-Four-Dauerbrenner Gensheimer holte alles raus. Kämpfte und glänzte. Mit elf Toren war er der Mann des Spiels. Aber auch hinten langte „Gensel“ zu, riss alle mit. Gerade in der Anfangsphase, als die Gelben nicht in die Partie kamen, war seine Kaltschnäuzigkeit von der Siebenmeter-Linie Gold wert.

Ein Sonderlob verdiente sich auch der Spanier Gedeon Guardiola. Sein Einsatz war gar nicht vorgesehen, 60 Minuten lang schaute der Spanier sichtlich gefrustet nur zu, ehe er trotz seiner Bauchmuskelverletzung doch noch auf die Platte stürmte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht machte er in der Verlängerung den Pekeler, breitete im Innenblock die Arme aus. Eine Helden-Geschichte, die eigentlich ein Happy End verdient gehabt hätte.

Doch so schwer es auch sein mag, der Blick muss voraus gehen. Schließlich ist die Saison für die Badener noch nicht beendet. Der deutsche Meistertitel soll her. Egal wie. Wie lange dauert es denn bis man die Final-Four-Schmach aus den Köpfen hat, Herr Schmid? „Das ist schwer zu sagen, der eine ist in 20 Minuten drüber weg, der andere knabbert noch ein paar Tage lang daran. Aber so ein Spiel zieht dich natürlich runter, ganz klar.“

Runter ziehen okay, Hauptsache es gibt keinen Knacks fürs Titelrennen! Jacobsen schiebt dem jedenfalls gleich einen Riegel vor: „Das sind doch zwei völlig verschiedene Wettbewerbe. Wir stecken das weg.“

Schaun mer mal. Am Mittwoch gibt’s eine erste Antwort. Dann gastieren die Löwen um 19 Uhr in Eisenach. Dort will Pekeler wieder angreifen. „Bis dahin haben wir das aus den Köpfen. Denn die Meisterschaft ist und war unser größtes Ziel.“ Sagt es und stiefelt mit hängenden Schultern zum Bus.

Von Daniel Hund