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Keine Erklärung für das Unerklärliche (RNZ)

Löwen-Spielmacher Andy Schmid: „So langsam habe ich echt keinen Bock mehr auf dieses Final Four“

Dirk, 43, lief vor der Barclaycard Arena auf und ab. Der Blick versteinert, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben. Zu identifizieren war er leicht. Blau-gelber Schal, knalliger Kapuzenpullover – ein Löwe, ganz klar. Er war einer dieser rund 1000-köpfigen badischen Reisegruppe, die sich am Samstagnachmittag nach dem neuerlichen Pokaldesaster wohl am liebsten eingebuddelt hätten.

Doch Dirk ist nicht irgendein Fan, er ist einer der ganz treuen. Der Karlsruher war schon zum neunten Mal dabei. Also einer, der das ganze Elend von Beginn am mitgemacht hat. Damit könnte jetzt aber Schluss sein. Dirk mit trotziger Stimme: „Beim nächsten Mal bleibe ich wohl mal daheim. Vielleicht liegt es ja an mir.“ Hat ihm etwa jemand Vorwürfe gemacht? „Nein, nein“, zuckt Dirk mit den Schultern, „aber komisch angeguckt wurde ich im Fanblock schon, als ich es erzählt habe.“

Normal schickt man auf so einen Spruch ein Lächeln hinterher. Dirk nicht. Er war in seiner eigenen Welt. Einer aus Frust und Trauer. Drinnen lief gerade die Schlussphase des zweiten Halbfinals zwischen Magdeburg und dem Bergischer HC, der Trommelwirbel der Schlachtenbummler wummerte bis vor die Arena.

Dirk ließ sich davon aber nicht stören. Er war mit einer leeren Cola-Dose beschäftigt. Die kickte er vor sich her, Meter für Meter in Richtung des altehrwürdigen Volksparkstadions, das nur einen Steinwurf von der Barclaycard Arena entfernt liegt. Seine gefallenen Helden waren da wohl schon längst wieder im Hotel.

Dort leckten die Löwen ihre Wunden. Auch Geschäftsführer Lars Lamadé hatte sichtlich am neuerlichen Knock Out in der Hansestadt zu knabbern. Er und Dirk sind übrigens gewissermaßen Seelenverwandte. Auch Lamadé war schon zum neunten Mal dabei. Früher als Fan, mittlerweile als Macher.

Unmittelbar nach der Schluss-Sirene befand er sich bereits auf Ursachenforschung. Ohne Erfolg natürlich. Denn für das, was alljährlich beim Final Four mit den Löwen passiert, gibt es keine rationale Erklärung. Das Wort Fluch macht in diesem Zusammenhang immer wieder die Runde. So weit wollte Lamadé im RNZ-Gespräch nicht gehen. Er flüchtete sich lieber in Galgenhumor: „Wie wär’s, wenn das Final Four umzieht. Vielleicht mal nach Flensburg, dort haben wir bislang bessere Erfahrungen gemacht.“

Andy Schmid, Denker und Lenker von Beruf, ging sogar noch einen Schritt weiter. Frisch geduscht stellte er sich der Presse, sagte viel, aber vor allem eins: „So langsam habe ich echt keinen Bock mehr auf dieses Final Four. Man muss es wirklich fast schon mit Humor nehmen, sonst springt man hier noch von einer Brücke.“ Der letzte Teil war natürlich nicht ernst gemeint, aber die Botschaft ist klar: Der größte Gegner in Hamburg ist mittlerweile wohl der eigene Kopf.

Zurück zu Dirk, der tauchte zwei Zigarettenlängen später dann auch wieder vor der Arena auf. Immer noch geknickt, aber irgendwie befreiter. Zumindest sein Plan für den Abend stand: „Ab ins Hotel, schnell duschen und rüber auf die Reeperbahn. Und ganz ehrlich: Genau so werde ich es nächstes Jahr auch wieder machen“, sagt er und schiebt schmunzelnd hinterher: „Was soll ich daheim? Da sterben die Leut‘.“

Von Daniel Hund