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„Die Zeit auf der Bank hat mir gut getan“

Oliver Roggisch vor dem Duell gegen Gummersbach im Interview

Oliver Roggisch kennt sich aus im Handball, was nicht zuletzt daran liegt, dass er sich dort aufhält, wo es schmerzhaft wird – im Abwehrzentrum. Natürlich teilt der Defensiv-Spezialist der Rhein-Neckar Löwen auch aus, muss dafür im Gegenzug aber einiges einstecken. Bei den Löwen spielt er inzwischen im vierten Jahr und gehört deshalb zu den Alteingesessenen im Kader von Guðmundur Guðmundsson. Seine Meinung gilt etwas im Kreise der Mannschaftskameraden und bei den Fans ist der gebürtige Südbadener ohnehin sehr beliebt, wie die Trikot-Verkaufszahlen belegen. Vor dem Duell gegen den VfL Gummersbach (Sonntag, 17:30 Uhr, SAP ARENA) spricht der 32-Jährige über die Ziele mit dem Verein und der Nationalmannschaft, die Entwicklung im Klub und die schwere sportliche Zeit, die er in der ersten Jahreshälfte durchlebte. Für das Duell gegen die Oberbergischen gibt es noch Karten an der Tageskasse.

Oliver, Du warst bis Mittwoch bei der deutschen Nationalmannschaft. Gegen Polen gab es einen 28:22-Sieg. Wie siehst Du die Entwicklung der Truppe wenige Wochen vor der WM in Schweden?

Zunächst waren wir bis auf Lars Kaufmann, der noch nicht ganz fit ist, zum ersten Mal nach langer Zeit komplett bei einem Lehrgang, was sehr positiv war. Dann hat sich aber leider Holger Glandorf am Meniskus verletzt und es ist noch unsicher, ob er bis zum WM-Start Mitte Januar wieder fit wird. Das hat die gute Stimmung natürlich gedrückt, weil wir im rechten Rückraum nicht so viele Optionen haben. Aber gegen Polen habe wir eine ganz ordentliche Leistung gezeigt und bewiesen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Bei der Weltmeisterschaft warten in der Vorrunde Frankreich, Spanien, Ägypten, Tunesien und Bahrain. Das sind schwere Aufgaben, weil sich nur drei Teams für die Hauptrunde qualifizieren. Wie siehst Du die Chancen der DHB-Auswahl?

Natürlich wird das nicht einfach, aber wir wissen, dass wir auch über eine gute Truppe verfügen. Wenn man das Ziel Halbfinale hat, muss man sich in einer solchen Gruppe durchsetzen. Wir können diese Mannschaften schlagen und ich bin überzeugt, dass wir in die Hauptrunde kommen und auch Punkte dahin mitnehmen werden.

Ist das Halbfinale als Ziel mit Trainer und Mannschaft bereits festgelegt, oder Deine Sicht der Dinge?

Wir haben intern noch keine Zielsetzung festgelegt, aber ich halte das Halbfinale für realistisch. Auch wenn wir bei den zurückliegenden Turnieren schlechte Ergebnisse hatten, bedeutet das nicht, dass wir in Bestbesetzung nicht mit den Top-Mannschaften mithalten können. Wenn man mit Deutschland zu einem Turnier fährt, sollte das Halbfinale immer der Anspruch sein. Außerdem finde ich es besser, sich hohe Ziele zu stecken, anstatt zunächst nur über die Vorrunde zu reden.

Wenn Du dir hohe Ziele steckst: Was hast Du dann mit den Löwen vor?

Der THW Kiel hat in dieser Saison Pech mit Verletzungen und kann deshalb nicht so souverän auftreten wie in den Jahren zuvor. Ich finde deshalb, dass wir große Chancen haben, uns noch in der Tabelle zu verbessern. Die Plätze eins bis drei sind für uns erreichbar und das muss in der Liga auch das Ziel sein. Das ist eine realistische Vorgabe.

Das Wort Meisterschaft hast Du nicht benutzt, ist das Absicht?

Wir haben eine Super-Mannschaft, aber wir befinden uns im Moment noch ein kleines Stück hinter Kiel und dem HSV Hamburg. Das ist mein Eindruck. Wir haben Kiel geschlagen und waren in Hamburg die bessere Mannschaft, was beweist, dass wir wieder näher heran gekommen sind, aber insgesamt sind uns diese Teams noch ein wenig voraus. Deshalb ist die Meisterschaft kein realistisches Ziel.

Wie siehst Du die Möglichkeiten in der Champions League und im Pokal?

In der Champions League haben wir bisher eine sehr gute Hauptrunde gespielt und mit dem Sieg beim FC Barcelona für eine Überraschung gesorgt. Wir können immer noch Gruppensieger werden, was eine gute Ausgangsposition bedeuten würde. Wir müssen nach der Hauptrunde schauen, wo wir platziert sind und müssen abwarten, wen wir danach zugelost bekommen. Mit etwas Glück können wir noch ein Stück weiter kommen.

Das Ziel muss doch Final Four lauten?

Das ist für jeden Spieler von uns ein Traum. Viele, auch ich, waren in diesem Jahr in Köln als Zuschauer dabei und die Stimmung war fantastisch. Wir alle wollen wieder dorthin, diesmal aber nicht als Zuschauer.

Im DHB-Pokal haben die Löwen schon mehr Erfahrung mit dem Final Four …

Ja, und deshalb wollen wir dort auch wieder dabei sein. Für unsere Fans ist Hamburg immer etwas Besonderes und wir genießen die tolle Atmosphäre dort ebenso. Ich glaube, dass wir einfach auch mal reif sind, den Pokal zu holen.

Du bist schon im vierten Jahr bei den Löwen. Glaubst Du, dass der aktuelle der beste Kader ist?

Ja, das denke ich. Man muss sich ja nur die Ergebnisse anschauen. Der Verein hat inzwischen erkannt, dass die Mannschaft Zeit braucht und Geduld erforderlich ist. Wichtige Spieler wurden langfristig an den Klub gebunden, das gibt Sicherheit. Die Truppe entwickelt sich weiter und wir haben mit Guðmundur Guðmundsson den richtigen Trainer für unser Team.

Du hattest in der ersten Jahreshälfte eine schwierige Situation, weil Du nur sehr wenige Einsatzzeiten erhalten hast. Wie beurteilst du die Lage im Rückblick?

Es war richtig, dass ich nicht gespielt habe, weil ich körperlich nicht fit war. Ich hatte Probleme mit dem Rücken, konnte deshalb nicht wie gewohnt trainieren und das hat sich auf meine Leistung ausgewirkt. Der Coach hat dann auf die Jungs gesetzt, die mit Vollgas trainiert haben. Ich habe meine Schwierigkeiten nicht so nach außen kommuniziert, das war vielleicht ein Fehler. Aber daraus habe ich gelernt.

Sind die Probleme mittlerweile behoben?

Ja, inzwischen bin ich wieder zu 100 Prozent fit. Ich habe sehr hart an mir gearbeitet und mich körperlich in einen Zustand gebracht, der mich wieder zu alter Stärke geführt hat. Vor allem im Kraftraum habe ich eine Schippe draufgelegt. Ich brauche zwar noch etwas Zeit, fühle mich jetzt aber wieder richtig gut. Rückblickend hat mir die Zeit auf der Bank gut getan.

Warum?

Ich habe mich gefragt, ob es das im Alter von 32 Jahren für mich schon gewesen sein soll. Ich bin der Meinung, dass ich noch gut genug bin und konnte mich deshalb motivieren. Jetzt spüre ich das Vertrauen vom Trainer und bin bereit, der Mannschaft zu helfen. Das gibt mir ein gutes Gefühl.

Die nächste Aufgabe heißt VfL Gummersbach. Wie schätzt Du diesen Gegner ein?

Der VfL gehört zu den Topteams der Liga und ist vor allem immer in der Lage, gegen die großen Mannschaften eine Überraschung zu landen. Wir müssen also höllisch aufpassen, damit uns das nicht passiert. Aber wir haben den Heimvorteil in der SAP ARENA im Rücken und deshalb wollen wir gegen Gummersbach unbedingt zwei Punkte holen.