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„Dieser Titel gehört der gelben Ecke“

Trainer Nikolaj Jacobsen widmet den Pokalsieg den Fans der Rhein-Neckar Löwen

Eine Minute vor dem Abpfiff war es vorbei mit der Geduld. Patrick Groetzki und Nikolaj Jacobsen nahmen sich in den Arm. Andy Schmid verließ seine Abwehrposition am Kreis, um seinen Coach kräftig zu herzen. Auf dem schmalen Streifen zwischen Bank und Spielfeldrand wurde gehüpft, geschunkelt und gelacht, ihren letzten Angriff schenkten die Spieler der TSV Hannover-Burgdorf ihrem Gegner und gratulierten schon in den finalen Sekunden der laufenden Spielzeit. Es war durchaus deutlich zu spüren: Der erste Pokalsieg der Rhein-Neckar Löwen war und ist etwas ganz Besonderes. Und er wird es auch immer bleiben.

In 13 Jahren mit 10 vergeblichen Anläufen hatte sich einiges angestaut an Emotionen. So oft hatte es nur Frust und Trauer gegeben, so oft waren die Löwen wie geprügelte Hunde von dannen gezogen. Jetzt endlich durften sie feiern und den Fans, den leidgeprüften, den Pokal präsentieren. Bei der spontanen Block-Party mit den mehr als tausend mitgereisten Löwen-Anhängern wurde viel gelacht, aber auch die eine oder andere Freudenträne verdrückt. Im knallgelben Partyrausch stimmten die Fans den neuen Löwen-Hit an, die Spieler tanzten dazu im Kreis: „Deutscher Pokalsieger! Deutscher Pokalsieger! Deutscher Pokalsieger!“ Weil die Mannschaft noch am Abend nach Hause flog und sich dort auf die nächste Herausforderung in der Liga vorbereiten wird, steigt die Pokalparty in der Löwen-Höhle SAP Arena am Donnerstag, 10. Mai: Nach dem Heimspiel gegen den SC Magdeburg wird die Mannschaft bei einer großen Autogrammstunde mit den Fans feiern, außerdem gibt es die exklusive Möglichkeit, sich mit dem Pokal zu fotografieren. Und wie es sich für eine Party gehört, werden auch genügend gekühlte Getränke vorhanden sein. Karten für das Spiel gibt es an allen bekannten Vorverkaufsstellen, unter der Hotline 0621/18190333 sowie online. Nach dieser langen Leidenszeit ist zu erwarten, dass sich die Löwen-Fans die Gelegenheit nicht entgehen lassen und die SAP Arena am Donnerstag zum Beben bringen.

Aus mehr als tausend Kehlen nach vorne gepeitscht

Nikolaj Jacobsen widmete schon direkt nach dem 30:26 (13:11) über die TSV Hannover-Burgdorf den Titel dem Verein und seinen treuen Fans. „Das gehört vor allem denen, die schon so oft mit hierhergefahren sind und so lange warten mussten“, sagte der Däne. „Dieser Titel gehört der gelben Ecke.“ Aus mehr als tausend Kehlen waren die Löwen auch in diesem Jahr wieder nach vorne gepeitscht worden, die Stimmung war so überragend wie der Auftritt der Mannschaft über weite Strecken des REWE Final Four. Nicht ohne Grund wurden Feldspieler und Torwart des Turniers mit Andy Schmid und Mikael Appelgren zwei Männer in Gelb. Hätte es eine Auszeichnung für die lautesten und wildesten Fans gegeben, auch in dieser Kategorie wäre man nicht an den Rhein-Neckar Löwen vorbeigekommen. Neben und auf dem Feld entstand bereits am Halbfinal-Samstag der Eindruck: In diesem Jahr geben alle noch einmal ein paar Prozentpunkte mehr. „Ich will eigentlich niemanden herausheben. Es war eine tolle Mannschaftsleistung“, sagte Nikolaj Jacobsen und zählte im Geiste wohl auch die Frauen und Männer auf den Rängen mit. Einige Löwen-Anhänger hatte es beim Kartenkauf sogar in den Fanblock des SC Magdeburg verschlagen. Beim Versuch, in Sachen Lautstärke gegenzuhalten, seien gar die Fan-Klatschen zu Bruch gegangen, schilderten die „Exil-Löwen“. Eins steht fest: Angesichts des Einsatzes haben sich alle Löwen diesen Titel mehr als verdient.

Löwen-Kapitän Andy Schmid, der die Truppe auf dem Feld nach mehr als bescheidener erster Halbzeit in Durchgang zwei zum Titel führte, waren in den Katakomben der Hamburger Barclaycard Arena die Zentnerlasten anzusehen, die ihm von den Schultern gefallen waren. „Die zweite Halbzeit war genauso gut, wie die erste schlecht gewesen war“, zeigte sich der Spielmacher auch in der Stunde des Triumphs selbstkritisch. Alexander Petersson, der den Pokalerfolg mit zwei blitzsauberen Auftritten in Abwehr wie Angriff mitgetragen hatte, kommentierte die Leistung seines Kapitäns ganz nüchtern: „Wir mussten Andy nicht sagen, was er in der ersten Hälfte falsch gemacht hat. Das wusste er schon selbst. Und bei seinem ersten Tor mit 109 km/h hat man gemerkt, dass da auch Wut dabei war.“ Wut über die eigene (Nicht-)Leistung in den ersten 30 Minuten, als er sich zahlreiche schlechte Würfe nahm und den Eindruck hinterließ, als würde er ausgerechnet im entscheidenden Pokalmoment den schwärzesten Tag der Saison erwischt haben. „Ich bin stolz, dass wir die Geschichte ausgelöscht haben. Wegen dem, was in der Vergangenheit hier passiert ist, sind wir vor allem erleichtert und nicht mega-euphorisch“, sagte Andy Schmid und dürfte damit vor allem auch sich selbst gemeint haben. Sein Trainer kommentierte die Vorstellung auf der Pressekonferenz in seiner ihm eigenen trockenen Art: „Wenn dein Kapitän und vierfacher Bundesliga-MVP sich entschließt, in der zweiten Halbzeit dann auch mal Handball zu spielen, ist das natürlich eine große Hilfe.“

Riesenkompliment an Hannover-Burgdorf

Sportsmann Jacobsen vergaß den Gegner nicht. „Ich muss Hannover-Burgdorf ein Riesenkompliment machen. Sie haben es uns richtig schwergemacht.“ Der Sportliche Leiter Oliver Roggisch sagte, dass er sich auch aufgrund der eigenen Geschichte sehr gut in die Jungs von der TSV hineinversetzen könne. „Kopf hoch, Carlos“, sagte Roggisch in Richtung von Trainer Ortega. Der gab die lieben Worte zurück, machte als Knackpunkt für den Löwen-Erfolg deren starke Abwehr in der ersten Hälfte und die Wurfgewalt aus dem Rückraum im zweiten Durchgang aus. „Beim 13:14 haben wir die Chance zum Ausgleich und kassieren danach 14 Tore aus dem Rückraum, die wir viel besser verteidigen müssen.“ Neben Schmid und Mensah zeigte vor allem auch Patrick Groetzki in dieser Phase, dass er keine Lust hatte, nach seinem persönlichen neunten Anlauf in Hamburg wieder mit leeren Händen nach Hause zu fahren. Die wichtigsten Würfe des Tages versenkte der Löwen-Rechtsaußen mustergültig in den Winkeln des TSV-Tores und durfte sich hinterher auf der Pressekonferenz mit einem kühlen Bierchen belohnen. Auf die Frage, wer den Pokal in der ersten Nacht nach dem Triumph behalten dürfe, sagte „Johnny“: „Ich denke, das gebührt unserem Betreuer Conny Hoffmann. Der war wirklich bei allen elf Anläufen dabei.“ Tatsächlich war Conny, der innerhalb der Löwen-Truppe Kult-Status genießt, der erste, der den Pott zu den Fans brachte und mit am ausgelassensten feierte.

Mads Mensah, der an den beiden Tagen von Hamburg sein Meisterstück in Sachen Pokal ablieferte, sagte mit Blick auf die denkbare Neuauflage im nächsten Jahr: „Natürlich kommen wir gerne wieder hierher. Dann aber mit weniger Druck.“