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„Diesmal nicht der Favorit“ (RNZ)

Heidelberg. Gudmundur Gudmundsson gilt als Taktikfuchs. Als Handball-Trainer, der auf so ziemlich alles, was auf der Platte passiert, reagieren kann. Zurzeit ist jedoch auch er machtlos. Denn die Rhein-Neckar Löwen haben einen übermächtigen Gegner. Einen, der nicht zu stoppen ist: die Uhr. Sie läuft gegen die Gelben, tickt runter. Sekunde für Sekunde, Minute für Minute. Unaufhaltsam. Das Bittere dabei: Gudmi und seiner neuformierten Mannschaft bleiben – falls nicht doch noch irgendwo ein wundersames Zeitloch aufgetan wird – somit nur zehn Tage, um gemeinsam an der Abstimmung zu arbeiten. Olympia sei Dank.

Wie auch immer, all das Jammern hilft nichts. Am Sonntag ab 15.30 Uhr gilt es, beginnt eine neue Löwen-Zeitrechnung. Und das ausgerechnet in Göppingen, ausgerechnet mit dem hitzigen Landesderby. Dort muss es nämlich nicht nur spielerisch passen, nein, auch kämpferisch. Nur, wer in der „Hölle Süd“ die komplette Palette abruft, hat am Ende auch eine Chance auf etwas Zählbares. Eine verschworene Einheit wäre da hilfreich. Gudmundsson weiß das und ist zumindest diesbezüglich optimistisch. Er sagt: „Bei uns herrscht ein neuer Spirit, eine ganz andere Chemie als in der Vorsaison. Ich bin fest davon überzeugt, dass in Göppingen jeder von uns bis zum Umfallen kämpfen wird.“

Hört sich gut an, aber gerade zu Saisonbeginn sagen sie das gerne, die Trainer. Das kommt an, weil es genau das ist, was eben jeder hören will. Doch dem Isländer nimmt man es ab. Zumindest dann, wenn man am Mittwoch bei der öffentlichen Pressekonferenz in Mannheim war. Dort war das Wir-Gefühl förmlich greifbar. Positive Energien überall.

Aber reicht das für einen Sieg in Göppingen? Schwer zu sagen. Denn auch die Schwaben sind von sich überzeugt, schwärmten kürzlich sogar ganz bewusst von der besten Mannschaft, die je für Frisch Auf auflief. Ein paar neue Handballer kamen dort dazu. Das Grundgerüst steht jedoch schon länger, ist eingespielt. Und kann auf einen prominenten Rückkehrer bauen: Michael Haaß, den Ex-Löwen. Der Spielmacher hat seinen Bruch des Sprunggelenks, den er sich zu Jahresbegin bei der Handball-EM zugezogen hatte, auskuriert. „Er ist für sie ein ganz wichtiger Spieler“, erklärt Gudmundsson und legt nach: „Diesmal sind wir sicher nicht der Favorit.“

An das letzte Gastspiel in Göppingen erinnern sich die Gelben ohnehin nicht sonderlich freudig zurück. Damals, es war im April, platzte ein Titeltraum. Die Löwen unterlagen im Halbfinal-Rückspiel des EHF-Cups mit 29:33 und schieden aus. Ein trauriger Tag war das. Gudmundsson nickt, sagt aber auch: „In der zweiten Halbzeit waren wir dort ganz dicht an Göppingen dran. Und das, obwohl wir so schlecht begonnen haben.“ Diesmal muss er nur auf Linkshänder Patrick Groetzki (Knie) verzichten. Alle anderen sind fit. Als Groetzki-Ersatz steht Marius Steinhauser in den Startlöchern. Wobei auch ein anderer, ein erfahrener Mann über die rechte Flanke kommen könnte. Gemeint ist Alexander Petersson, der Neue aus Berlin. Gudmis Landsmann kann sowohl auf Halbrechts als auch auf Rechtsaußen glänzen. Sein Trainer auf RNZ-Anfrage: „Das ist durchaus denkbar.“

Von Daniel Hund