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Dramatische Punktlandung (MM)

Rhein-Neckar Löwen ziehen nach 27:23-Sieg über Kielce ins Viertelfinale der Champions League ein

MANNHEIM. Was für eine Spannung! Was für eine Dramatik! Was für ein Krimi! Den Rhein-Neckar Löwen gelang im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League gegen den polnischen Spitzenverein KS Vive Kielce mit dem 27:23 (16:14)-Sieg eine Punktlandung. Nach der 28:32-Hinspiel-Niederlage erreichte der Handball-Bundesligist dank der mehr erzielten Auswärtstore das Viertelfinale. „Wahnsinn! Das ist einfach der Wahnsinn! Ich weiß gar nicht, was diese Truppe noch alles machen will. Das war eine unglaubliche Energieleistung“, jubelte Manager Thorsten Storm – und hatte erst einmal ein Problem: „Ich habe noch gar keinen Flug gebucht.“

Schon heute wird in Wien nämlich das Viertelfinale ausgelost, die Gelbhemden können auf Vardar Skopje, den THW Kiel, den FC Barcelona oder MKB Veszprem treffen. „Es gibt keinen schlechten Gegner“, machte der überglückliche und verletzungsbedingt nicht eingesetzte Kapitän Uwe Gensheimer deutlich, dass es für ihn kein Wunschlos gibt.

Duell der Trainer

Kielce gegen Löwen – das war auch das Duell der Trainer. Nach dem Hinspiel hatte Vive-Coach Talant Duschebajew seinen Kollegen Gudmundur Gudmundsson angegriffen und dem Isländer eine obszöne Beleidigung unterstellt. Für seine Schimpftiraden entschuldigte sich der 45-Jährige im Vorfeld des Rückspiels, die ihm von Gudmundsson vorgeworfene Tätlichkeit wies er hingegen von sich. „Ich habe ihn verbal attackiert, aber nicht angegriffen.“ Die 8805 enthusiastischen Fans glaubten ihm nicht – und pfiffen den Kielcer Coach gnadenlos aus.

„Die Mannschaft hat heute auch für Gudmundur gespielt. Das habe ich in den Augen der Jungs gesehen“, sagte Storm und sprach von einem „fantastischen Abend“. Kurios: Erst die Entgleisungen von Duschebajew nach dem Hinspiel hatten den Kartenverkauf in den vergangenen Tagen extrem beschleunigt.

Von Beginn an ging es mächtig zur Sache. Keine Minute war gespielt, da kassierte Nikola Manojlovic schon die erste Zeitstrafe. In giftigen Zweikämpfen wurde um jeden Zentimeter, um jeden Ball gerungen – die Schiedsrichter Slave Nikolov und Georgij Nachevski hielten bereits in der hitzigen Anfangphase regelmäßig die Gelbe Karte in die Höhe.

Bei den Löwen erwischte der überragende Torwart Niklas Landin mal wieder einen Sahnetag, 18 Paraden legten den Grundstein für das Weiterkommen. „Wenn man vier Tore gegen Kielce aufholen will, braucht man einen guten Schlussmann und einen starke Abwehr. Das haben wir heute hinbekommen“, meinte der Keeper lapidar und lachte.

Nach zehn Minuten führten die Badener mit 5:3 (10.). Doch sie schafften es nicht, die Polen weiter zu distanzieren. Ausgerechnet in Überzahl mussten die Gelbhemden den Ausgleich zum 10:10 (22.) hinnehmen. Kielce kam über seine wurfgewaltigen Rückraumleute Karol Bielecki, Krzysztof Lijewski und allen voran Michal Jurecki immer wieder zu einfachen Treffern. Doch mit zunehmender Spieldauer hatten sich die Löwen darauf eingestellt. „Die Abwehr wurde von Minute zu Minute besser“, freute sich Gudmundsson: „Meine Mannschaft hat fantastisch gespielt und gekämpft.“

Beim 16:14 zur Pause hatten die Löwen einen ersten Schritt Richtung Viertelfinale gemacht, direkt nach dem Seitenwechsel legten sie ein 20:15 (36.) nach. Jetzt hielten sie das Viertelfinal-Ticket in der Hand, doch Kielce ließ sich nicht abschütteln und stand trotz des 19:21-Rückstandes eine Viertelstunde vor dem Abpfiff in der nächsten Runde.

Das unglaublich intensive Duell steuerte auf eine dramatische Schlussphase zu, in der beide Mannschaften zunächst viele Möglichkeiten ausließen. Drei Minuten vor dem Abpfiff fasste sich dann Alexander Petersson ein Herz und vollendete zum 27:22 (57.). Das Zittern begann, doch Landin war da. „Er hat den Unterschied ausgemacht“, erkannte Duschebajew die Ausnahmeleistung des Weltklasse-Torwarts an: „Niklas Leistung war einfach unglaublich.“

Von Marc Stevermüer