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Duell der Giganten – es geht schon jetzt um alles

Mannheim. Handball-Deutschland hält den Atem an: Gleich drei Mal stehen sich die Bundesligisten THW Kiel und Rhein-Neckar Löwen innerhalb von elf Tagen gegenüber. Am Sonntag (17.15 Uhr) steigt das erste Champions-League-Duell im hohen Norden, anschließend genießen die Badener im Rückspiel und in der Bundesliga Heimrecht. In der Königsklasse geht es um den Gruppensieg, in der Bundesliga sind beide Mannschaften nach ihren jüngsten Niederlagen zum Siegen verdammt, wenn sie im Titelrennen bleiben wollen. Wir vergleichen die Topteams miteinander.

Torhüter

Die Löwen haben in Slawomir Szmal und dem wiedergenesenen Ex-Kieler Henning Fritz ein hervorragendes Gespann. Szmal spielt seit Monaten konstant auf hohem Niveau, schwächelte aber ausgerechnet zuletzt bei der Niederlage in Flensburg. Der Kieler Thierry Omeyer gilt als bester Torhüter der Welt. Sein Stellvertreter ist Andreas Palicka. Der Schwede hat Talent, aber nicht die Erfahrung wie Henning Fritz. Fazit: Tagesform entscheidet.

Abwehr

Bjarte Myrhol und Børge Lund bilden bei den Löwen einen starken Mittelblock, zudem ist Oliver Roggisch eine Alternative. Die 6:0-Deckung steht gut, aber nicht unbedingt herausragend. Die 5:1-Variante brachte in Flensburg nicht den gewünschten Erfolg. Die Kieler Defensive kann zu einem unüberwindbaren Bollwerk werden, der Meister verteidigte bei der Niederlage in Hamburg stark und kassierte bislang im Schnitt erst 24 Tore. Er zeigte zuletzt jedoch ab und zu kleinere Schwächen. Die Integration von Daniel Kubes hat Zeit gebraucht, noch harmoniert die 6:0-Abwehr nicht konstant reibungslos. Die Kreisläufer bereiten dem THW immer mal wieder Probleme, was den Löwen mit dem starken Myrhol entgegen kommen könnte. In Hamburg hatten die Kieler allerdings Bertrand Gille und Igor Vori gut im Griff. Zum Repertoire gehört zudem die 3:2:1-Deckung. Auch bei dieser Variante gäbe es viele Räume für Kreisläufer Myrhol. Fazit: Kleiner Vorteil Kiel.

Kreisläufer

Auf Myrhol können sich die Löwen verlassen. Der Modellathlet aus Norwegen ist im Angriff „Mr. Zuverlässig“. Mehr als 88 Prozent seiner Würfe landen im Tor. Neuzugang Róbert Gunnarsson gelang der Durchbruch bislang nicht. Als Nonplusultra auf der Kreisläuferposition galt lange Zeit der Kieler Marcus Ahlm. Der Schwede hat trotz seiner guten Leistung in Hamburg jedoch nicht mehr die Klasse früherer Tage. Sein Vertreter Milutin Dragicevic erfüllte die Erwartungen bislang nicht. Fazit: Kleiner Vorteil Löwen.

Außenpositionen

In Linksaußen Uwe Gensheimer haben die Löwen einen überragenden Gegenstoß-Spieler, auf dem rechten Flügel fehlt den Badenern verletzungsbedingt Ivan Cupic. Der Ausfall wiegt schwer, andererseits steht in Patrick Groetzki mehr als ein Ersatz bereit. Die Löwen-Außen sind echte Waffen. Der THW vertraut auf Christian Sprenger und Tobias Reichmann (rechts), Dominik Klein und Henrik Lundström (links). Sprenger hat sich gut entwickelt. Klein und Lundström sind zuverlässige Kräfte, haben aber nicht Gensheimers Klasse. Ohnehin spielt der THW wenig über die Außen. Fazit: Kleiner Vorteil Löwen.

Rückraum

Im Rückraum fehlt den Löwen die große Durchschlagskraft. Børge Lund beruhigt das Spiel, er strahlt aber wenig Torgefahr aus. Andy Schmid hat zwar Dynamit in seinem rechten Arm und mit seiner Wurfkraft schon viele wichtige Tore erzielt, allerdings schwankt der Schweizer zu oft zwischen Genie und Wahnsinn. Auf der halblinken Position müssen sich die Badener weniger Sorgen machen. Auf Karol Bielecki war stets Verlass, Grzegorz Tkyczyk spielt bislang eine gute Saison, tauchte aber in Flensburg vollkommen ab. Ólafur Stefánsson ist ein echter Stratege, allerdings fehlt auch bei ihm der Zug zum Tor. Zudem wurde zuletzt deutlich, dass er kein Mann mehr für 50 Minuten ist. Er braucht mehr Entlastung durch Zarko Sesum, der erst vor wenigen Wochen verpflichtet wurde.

Beim THW geht von allen Positionen im Rückraum eine unglaubliche Torgefahr aus. Christian Zeitz wird nach seinem Muskelfaserriss wahrscheinlich in die Mannschaft zurückkehren, er befand sich vor seiner Verletzung in einer überragenden Form. Als Alternative steht momentan nur Rechtshänder Jerome Fernandez bereit. Er bekam gegen Hamburg seine Grenzen aufgezeigt. Wird Zeitz nicht fit, würde das den THW erheblich schwächen. Auf der halblinken Position und in der Mitte hat der THW mit Momir Ilic und Filip Jicha zwei Spieler, die eine Partie allein entscheiden können, dazu kommt in Aron Palmarsson ein Mega-Talent. Kurzum: Der Kieler Rückraum ist die personifizierte Weltklasse und mit einem gesunden Zeitz unberechenbar. Fazit: Klarer Vorteil Kiel.

Prognose

Die Löwen sind am Kreis und auf den Außenpositionen etwas besser besetzt, aber den Sieg sichern in der Regel der Torhüter und der Rückraum. Erwischt Omeyer einen Sahnetag, wird es für die Gelbhemden ganz schwer. Gleiches gilt, wenn die Badener Jicha nicht in den Griff bekommen. Trotzdem haben die Löwen vor allem in den Heimspielen eine Chance.

Von Marc Stevermüer

 19.11.2010