Veröffentlichung:

Ein Abend zum Vergessen (MM)

Nach der Niederlage in Lübbecke hadern die Löwen mit den Schiedsrichtern und der schlechtesten Saisonleistung

MANNHEIM. Unmittelbar nach dem Schlusspfiff suchte Andy Schmid das Gespräch mit den Schiedsrichtern. Mit der Leistung von Thomas Hörath und Timo Hofmann war der Schweizer nach der 22:23-Niederlage mit den Rhein-Neckar Löwen beim TuS N-Lübbecke gelinde gesagt unzufrieden. „Die Klubs schicken doch auch die besten Spieler aufs Feld“, vermied er direkte Kritik an den Unparteiischen, mit deren Leistungen beide Teams nicht einverstanden waren.

Mitte der zweiten Halbzeit hatten die erzürnten TuS-Fans genug gesehen. „Schieber, Schieber“ skandierten die Anhänger und warfen Gegenstände auf das Spielfeld. Lübbeckes Teammanager Zlatko Feric stürmte wütend um die Pressearbeitsplätze herum an die Seitenlinie, beschimpfte die Referees unmittelbar vor den Augen der Medienvertreter. Die Lübbecker fühlten sich nach etlichen Zeitstrafen verschaukelt, übten Druck auf die Referees aus – und taten das nach Meinung der Badener mit dem gewünschten Erfolg. Denn Löwen-Trainer Gudmundur Gudmundsson haderte danach mit der Zeitspiel-Auslegung und dem gepfiffenen Stürmerfoul gegen Kim Ekdahl du Rietz in der Schlussphase.

Ärgernis Zeitspiel

„Wie lang darf ein Angriff im Handball dauern? Keiner weiß das. Von Spiel zu Spiel wird diese merkwürdige Regel anders ausgelegt, manchmal sogar innerhalb einer Begegnung“, eröffnete er eine Grundsatzdiskussion: „Im Basketball hat jede Mannschaft 24 Sekunden Zeit für einen Angriff. Alle wissen das. Die Schiedsrichter, die Spieler, die Trainer, die Zuschauer. Das ist eine gute Lösung. Vielleicht sollte man auch im Handball eine klare Regelung einführen, sonst wird es immer wieder Diskussionen geben.“

Allerdings dürfen die Gelbhemden nicht vergessen: In dieser Saison profitierten sie ebenfalls schon von strittigen Schiedsrichter-Entscheidungen. Und ein Team wie die Löwen muss trotzdem in der Lage sein, in Lübbecke zu gewinnen. Doch dazu machten die Badener einfach zu viel falsch, wie Manager Thorsten Storm einräumte: „Wir müssen uns an die eigene Nase fassen und nicht nur auf Schiedsrichter-Leistungen schauen. Wenn man so viele klare Chancen auslässt, gewinnt man auswärts in der Bundesliga nicht.“ In der Tat zeigte der Europapokalsieger zu viele Schwächen.

Die Durchschlagskraft: Wie schon beim 23:23 in Göppingen wurde deutlich: Stellt der Gegner eine starke Abwehr und lädt die Badener nicht zum Gegenstoß ein, haben die Gelbhemden ein Problem. Im Positionsangriff taten sich die Löwen in Lübbecke unheimlich schwer. Regisseur Schmid war nicht nur mit den Unparteiischen unzufrieden, sondern auch mit seiner eigenen Leistung. In der ersten Enttäuschung sprach er „von einer der bittersten Niederlagen der vergangenen Jahre“. Zündende Ideen kamen vom Schweizer nur wenige, einfache Tore aus der Distanz waren bei allen Rückraumspielern eine Rarität. „Man darf aber nie vergessen, dass wir im Angriff ohne Alexander Petersson nicht die Qualität des Vorjahres haben“, sagte Storm. Und dann fiel früh im Spiel auch noch Kreisläufer Bjarte Myrhol mit einem Pferdekuss aus. Den Verlust einer zweiten zentralen Figur in der Offensive konnten die Löwen nicht kompensieren. „Er hat uns sehr gefehlt“, sagte Gudmundsson.

Die Chancenverwertung: Übermäßig viele klare Chancen ließen die Löwen aus dem Spiel heraus nicht aus. Viel zu oft waren die Abschlüsse viel zu halbherzig. Wer allerdings vier Siebenmeter vergibt (drei Mal Uwe Gensheimer, einmal Schmid), bekommt ein Problem.

Das Über-/Unterzahlspiel: Zwischen der 45. und 50. Minute kassierte Lübbecke vier Zeitstrafen, die Überzahl gewannen die Löwen mit 5:2. Eine Top-Mannschaft muss aus diesem Vorteil mehr machen. In ihren drei Unterzahlsituationen erzielten die Badener dazu keinen einzigen Treffer.

Die Konzentration: Als sich zwei Minuten vor dem Abpfiff bei einer 22:21-Führung die Chance zum Sieg bot, schliefen die Löwen bei angezeigtem Zeitspiel gegen Lübbecke und kassierten das 22:22. Insgesamt wirkten die Gelbhemden nicht frisch, die Belastung der vergangenen Wochen macht sich bemerkbar. „In so einer Phase kann es passieren, einmal ein schwaches Spiel hinzulegen. Das war unsere schlechteste Saisonleistung“, sprach Schmid Klartext. Die Löwen beraubten sich ihrer eigenen Waffe, dem Gegenstoß, weil sie nach Ballgewinnen das Spielgerät mehrmals zum Gegner oder ins Aus passten. „Wir haben viel zu viele Fehler gemacht, da waren unglückliche Aktionen dabei“, räumte Gudmundsson ein.

Von Marc Stevermüer