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Ein Ritt auf der Rasierklinge
Mannheim. Gudjon Valur Sigurdsson pustete kurz durch, holte tief Luft, bevor er im Bauch der SAP Arena zur Analyse ansetzte. Mitgenommen sah er aus, gezeichnet von 60 Minuten, von einer Stunde mit viel Schatten und wenig Licht. Doch letztlich blieb die Katerstimmung aus: Die Rhein-Neckar Löwen kamen mit einem blauen Auge davon, bejubelten einen 36:34 (17:16)-Erfolg über den VfL Gummersbach. Und „Goggi“ wäre nicht „Goggi“, wenn er den Finger nicht in die Wunde legen würde. Sigurdsson sprach an, was alle dachten. Der Kapitän: „Am Ende waren wir die Glücklicheren.“
Widerspruch zwecklos. Es wurde gezittert bis zum Schluss.Wie gegen Celje. Ein Dusel-Sieg also, aber nicht nur. Denn wieder einmal bewiesen die Badener, dass sie im entscheidenden Moment, wenn es um die Wurst geht, wenn Geistesblitze gefragt sind, eiskalt zu zuschlagen können. Thorsten Storm, der Manager des Rudels: „Im letzten Jahr hätten wir solche Spiele, die einem Ritt auf der Rasierklinge gleichen, noch verloren.“ Ein Sonderlob an den Trainer, ein verstecktes, ein angebrachtes. Denn seit Gudmundur Gudmundsson die Kommandos gibt, ist vieles anders, besser. Der Isländer scheint den Killerinstinkt geweckt zu haben, gerade in der Crunch-Time.
Diesmal stimmte aber auch der Aufgalopp. Die Löwen legten entschlossen los. Vor allem Robert Gunnarsson gefiel gegen seinen Ex-Klub.Der Kreismann kannte die Lücken, die Schwachstellen. Jubelstürme löste jedoch ein anderer aus: Oliver Roggisch. Der Abwehrfels machte nämlich etwas, was er sonst nicht macht. Er rannte aufs gegnerische Tor zu, nahm Maß und traf: In der 20. Minute schloss er einen Tempo-Gegenstoß zum 12:8 ab. Die Halle tobte, feierte ihren Abräumer. Gute Laune, die nicht lange anhielt. Denn der Vier-Tore-Vorsprung schmolz. Teilweise schien die Spannung zu fehlen, der letzte Biss der Löwen.
Und es kam noch schlimmer. Auch nach der Pause stotterte der Löwen_-otor, tuckerte vor sich hin, fiel phasenweise fast ganz aus. Trainer Gudmundur Gudmundsson erkannte das und reagierte: In der 37. Minute zog er die Handbremse, bat beim Stand von 18:21 zur einminütigen Diskussionsrunde, Auszeit genannt. „In dieser Phase waren wir ganz schlecht“, zuckte Patrick Groetzki mit den Schultern.
Beim 31:33 und einer Zweiminuten-Strafe für Börge Lund sah’s bereits richtig bitter aus (56.). Doch dann kam Karol Bielecki, der Rückraum-Kunstschütze: Mit zwei Krachern sorgte der Pole für den Ausgleich. Und „Goggi“ gab dem Bundesliga-Dino mit dem 36:34 den Rest. Aber darüber redete er nicht, er sprach lieber über den Langen mit dem starken rechten Arm: „Karol ist Gold wert, der haut einfach drauf und trifft.“ Goran Stojanovic, der Noch-Gummersbacher und Bald-Löwe, kann ein Lied davon singen. Ein kurzes. Denn die zweite Halbzeit fand ohne ihn statt. Vor dem Seitenwechsel hatte er kaum einen Ball pariert.
Die Zukunft von Grzegorz Tkaczyk scheint mittlerweile übrigens geklärt zu sein. Er soll bereits in der letztenWoche einen Dreijahresvertrag in Kielce unterschrieben haben. Dr. Mariusz Czok wollte das auf RNZ-Nachfrage (noch) nicht bestätigen. „Wir verhandeln mit mehreren Vereinen. Aber es ist davon auszugehen, dass es Grzegorz zurück in die Heimat ziehen wird, was auch mit familiären Gründen zusammenhängt“, erklärt Tkaczyks Berater, der die Dreijahres-Offerte von Kielce bestätigt: „Das stimmt, aber ihm liegt zum Beispiel auch ein Drei- bis Vierjahresvertrag von Wisla Plock vor.“ Interessantes gibt es in diesem Zusammenhang auch über Bartosz Jurecki zu berichten: Der Kreisbär aus Magdeburg soll ebenfalls in Kielce unterschrieben haben. Wie auch immer, die Nachfolge von Tkaczyk bei den Löwen ist eigentlich geklärt: Zarko Sesum, dem viele Experten eine große Zukunft prophezeien, soll wohl die Lücke schließen.
Sorgen bereitet der rechte Rückraum. Olafur Stefanssons Abgang nach Kopenhagen ist nach RNZ-Informationen mittlerweile beschlossene Sache. Und seine „Erben“ bereiten Kopfzerbrechen. Michael Müller laboriert nach wie vor an seinem Kreuzbandriss. Krzysztof Lijewski sollte hingegen längst wieder fit sein. Doch seine Schulter will nicht so wie die Ärzte wollen. „Er hat noch immer Schmerzen“, sagt Storm, „und ist krank geschrieben.“ Wird der rechte Rückraum, in den man so viele Hoffnungen gesetzt hat, also erneut zur Baustelle? „Bei Krzysztof müssen wir abwarten. Er hat sich mittlerweile weiteren Therapien unterzogen.“ Storm wirkt nachdenklich, als er das sagt, aber zuversichtlich: „Wir beobachten das und hoffen, dass er wieder ganz gesund wird.“
Von Daniel Hund
13.12.2010