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„Ein Sieg ist mit dieser Leistung unmöglich“

Kiel. Er war nicht nur ein gefragter Mann, sondern ein gefeierter dazu. Die Ordner, die Fans, die ehemaligen Kollegen – sie alle begrüßten Børge Lund freundlich, fragten nach seinem Wohlbefinden. Sie haben ihn eben nicht vergessen im hohen Norden, an der Ostsee, beim erfolgreichsten deutschen Klub: Hier beim THW Kiel, dem Nonplusultra des Welt-Handballs, ist Lund nach wie vor ein Held, obwohl er den Verein vor der Saison verließ und zu den Rhein-Neckar Löwen wechselte.

Den Norddeutschen ist bewusst: Diesem Kraftpaket mit dem großen Kämpferherz haben sie viel zu verdanken. Drei Meisterschaften und zwei Pokalsiege feierte der Norweger mit den Kielern, dazu kam der Triumph in der Champions League in diesem Jahr – mit einem bärenstarken Lund in der Schlussphase des Endspiels gegen Barcelona.

„Ich hatte drei wunderschöne Jahre in Kiel. Als ich in die Halle gekommen bin, habe ich natürlich an all das gedacht, was ich hier erlebt habe“, sagte der Spielmacher im Anschluss an die 27:30-Niederlage seines neuen Arbeitgebers. Keine Frage: Das Spiel in der Ostseehalle war für ihn etwas Besonderes. Die Umkleidekabine für die Gästemannschaft, scherzte der Rechtshänder, habe er trotz der Erinnerungen aber problemlos gefunden.

So herzlich der Empfang für den 31-Jährigen auch war, umso härter muss ihn der Auftritt der Löwen in der ersten Halbzeit getroffen haben. Dabei hätte doch gerade der abwehrstarke Regisseur wissen müssen, was auf die Gelbhemden zukommt. „Es ist natürlich sehr schwer, beim THW zu gewinnen. Die Kieler verlieren vielleicht einmal im Jahr in eigener Halle“, meinte Lund, „aber wenn man so spielt wie wir in der ersten Halbzeit, hat man sowieso keine Chance. Mit dieser Leistung ist ein Sieg in Kiel einfach unmöglich.“

Vor Ehrfurcht erstarrt

Fast schon ehrfürchtig erstarrten die lammfrommen Löwen beim Anblick von THW-Schlussmann Thierry Omeyer. „Ich kann nur für mich sprechen, aber ich glaube nicht, dass wir zu viel Respekt vor Kiel hatten“, erklärte der Spielmacher trotzig. Der Norweger sah den Grund für die Niederlage woanders. „Der THW ist uns um Jahre voraus. Aber wir arbeiten hart daran, besser als Kiel zu werden“, sagte der 31-Jährige.

Zugegeben: Die Erklärung des Rechtshänders ist nicht neu, andererseits hat sie vielleicht jetzt mehr Bedeutung als je zuvor. Ein Mann wie Lund, der vor wenigen Monaten noch beim THW spielte und mit diesem Klub alles gewonnen hat, kann die Kräfteverhältnisse gut einschätzen. Und er weiß, worauf es ankommt: „Wir sind stark genug, ein Team wie Kiel zu besiegen. Aber wer etwas Großes erreichen will, muss Konstanz zeigen und Partien wie in Flensburg gewinnen. So wird man Meister.“

Zunächst aber steht für die Löwen morgen beim Bundesliga-Spitzenreiter Hamburg wieder ein Topspiel an. „Der HSV ist der Favorit“, so Lund, der jedoch an die Chance der Badener glaubt und nichts dagegen hätte, wieder gefeiert zu werden – und zwar von den eigenen Fans.

Von Marc Stevermüer

 23.11.2010