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Storm: „Hamburg hat einen anderen Torhüter“

Heidelberg. Niederlagen verarbeitet jeder anders. Bei den einen geht es relativ schnell, bei den anderen zieht sich die Aufarbeitung wie Kaugummi. Die Bilder kommen dann immer wieder hoch, schmerzen, werden zu einer Endlosschleife aus Frust und Enttäuschung. Hilfreich ist beim Verarbeiten in der Regel vor allem eins: Ablenkung. Denn wer mit etwas anderem konfrontiert wird, kann abschalten, kommt runter. Die Rhein-Neckar Löwen dürften diesmal damit so ihre Probleme haben: Nach dem neuerlichen Kiel-Drama dreht sich derzeit nämlich erst recht alles um die kleine Harzkugel. Das Rudel macht Station in Bad Bramstedt, schwitzt im Trainingslager.

Und dort ist Ablenkung ein Fremdwort. Es heißt Hotelbett statt heimisches Sofa, Teamkollegen statt Herzensdame, ist quasi die Einstimmung auf den nächsten Ernstfall, auf das Bundesliga-Duell beim HSV Hamburg (Mittwoch, 20.15 Uhr). Die Rückkehr in die Normalität, das Leben abseits der Platte muss warten. Bis Donnerstag. Wobei in Bad Bramstedt natürlich nicht nur trainiert wird.

Es herrscht erhöhter Redebedarf. Über eine grauenhafte 1. Halbzeit, über Angsthasen-Handball. Die Frage nach dem Warum, sie steht ganz oben auf der Mängelliste. „Klar kann man in Kiel verlieren, muss vielleicht sogar damit rechnen“, erklärt Löwen-Manager Thorsten Storm. Nachdenklich wirkt er dabei. Ernüchtert, tief enttäuscht: „Ich hatte einfach gehofft, dass jeder einzelne von uns an einen Sieg in Kiel glaubt.“

Wunschdenken! Die Realität sah anders aus. Es scheint fast so, als ob das badische Rudel immer dann die Hosen voll hat, sobald sich Thierry Omeyer vor ihnen im gegnerischen Tor ausbreitet. Der Franzose ist das personifizierte Schreckgespenst der Badener. Storm zuckt mit den Schultern: „In den wichtigen Spielen ist dieser Mann einfach immer da. Gerade in den 1:1-Situationen hat er das gegen uns mal wieder bewiesen.“

Doch es war nicht Omeyer allein, der den Gelbhemden den Zahn zog. Den zog man sich eigentlich selbst. Insbesondere im Rückraum, dort, wo Topspiele entschieden werden. Karol Bielecki und Grzegorz Tkaczyk, die polnische Scharfschützen-Abteilung, glich diesmal eher einer Kirmesschieß-Truppe. Storm weiß das, vermeidet es aber, sich auf das Duo einzuschießen. Zumindest nicht direkt: „Nur über den Kreis und die Außenpositionen schlägt man kein Topteam wie Kiel.“

Am Mittwoch wollen sie es besser machen. Die Color Line Arena soll gestürmt werden. Als Einheit, mit allen zusammen. „Mut macht, dass Hamburg einen anderen Torhüter hat“, schmunzelt Storm gequält, nicht freudig. Galgenhumor nennt man das. Unterbewusst ist sie nämlich da, die Furcht vor einer neuerlichen Pleite. Denn die Wochen der Wahrheit, wie sie Löwen-Aufsichtratsboss Jesper Nielsen kürzlich bezeichnet hatte, drohen im Chaos zu versinken, im totalen Frust. Doch noch ist die Wende drin. Ein Sieg beim HSV wäre mehr als nur ein Anfang. Storm: „Das ist wieder ein Spitzenteam, wieder eine volle Halle und wieder ein emotionales Spiel.“

Amüsiert reagierte er gestern übrigens auf einen Bericht der Kieler Nachrichten, in dem stand, dass sich die Badener auf Torhüter Mirko Alilovic (Celje) als Szmal-Nachfolger festgelegt hätten. Der Manager lacht: „Da sind sie schlecht informiert befinden sich auf dem Holzweg.“ Klar scheint hingegen die Zukunft von Christian Zeitz zu sein: Der Ex-Krösti soll seinen Vertrag in Kiel bereits verlängert haben.

Von Daniel Hund

 23.11.2010