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Ein wichtiger Schritt Richtung Titel für die Rhein-Neckar Löwen(RNZ)

Die Rhein-Neckar Löwen haben das schwere Auswärtsspiel in Wetzlar mit 23:19 gewonnen

Als alles vorbei war, war eigentlich alles wie immer, wenn die Rhein-Neckar Löwen gewonnen haben: Das Rudel formierte sich, hüpfte geschlossen über die Platte. Lachte viel, tanzte vor Glück. Doch diesmal war es anders. Der Jubel war ausgelassener, frenetischer. Was am Ergebnis und dem Gegner lag: Mit dem 23:19 (10:11)-Erfolg in Wetzlar haben die Besten aus dem Südwesten nämlich wohl ihr Meisterstück gemacht. Stolpersteine warten nun nicht mehr. Das wissen sie, sagen es zwei Spieltage vor Schluss aber nicht. Noch ist Vorsicht geboten, auch Hannover und Lübbecke können Handball spielen. Trainer Nikolaj Jacobsen mit einem verschmitzten Grinsen auf den Lippen: „Ich will jetzt nicht über den Titel reden. Aber es war sicherlich ein wichtiger Schritt!“ Und weiter: „Nächste Woche haben wir gegen Hannover nun 13 000 Leute hinter uns. Ich hoffe, dass wir da befreiter aufspielen werden.“

Oder anders: Meisterlich war es nicht, was die Löwen gestern vor 4421 Zuschauern in der Rittal Arena boten. Sie wackelten, ja sie zitterten sich förmlich über die Zeit. Egal, Sieg ist Sieg. In ein paar Tagen fragt keiner mehr nach dem Wie.

Dass der gelbe Titeltraum nicht nur bei den Spielern lebt, zeigte sich bereits rund drei Stunden vor Spielbeginn. Da kreuzten nämlich schon die ersten Löwen-Fans vor der Rittal Arena auf. Und es wurden immer mehr. Eine badische Invasion war’s. Manche sangen, andere wirbelten gelb-blaue Schals durch die Luft. Siegessicher waren sie, voller Vorfreude.

Kurz nach Spielbeginn wurde aus Freude dann Anspannung. Denn es deutete sich schnell an, dass da kein gemütlicher Sonntagsausflug auf die Löwen wartete, sondern Schwerstarbeit. Angespornt durch den Trommelwirbel der HSG-Schlachtenbummler warf Wetzlar alles rein. Kämpfte ohne Ende. Und hinten stand eben auch noch einer im Kasten, der sein Handwerk versteht: Andreas Wolff, der deutsche EM-Held. An ihm verzweifelten die Löwen in der ersten Halbzeit reihenweise. Lediglich Kim Ekdahl du Rietz behielt den Durchblick: Das 3:2 in der 12. Minute war bereits sein drittes Tor.

Insgesamt gesehen war vorne aber noch Luft nach oben, die Defensive beeindruckte dagegen. Wetzlar kam einfach nicht durch, biss sich am Innenblock Guardiola/Pekeler die Zähne aus. Die Löwen konnten so immer vorlegen. Führten nicht komfortabel, aber stets mit zwei, drei Treffern. Bis kurz vor die Pause wohlgemerkt. Plötzlich häuften sich nämlich die Fehler und genau die nutzte Wetzlar. Eiskalt warfen sie sich zu einer 11:10-Pausenführung, die Halle tobte – und die Löwen wirkten angeknockt, konsterniert. Kein Wunder, bei den vielen vergebenen Chancen.

Eine Reaktion musste her – und die kam auch. Allerdings ganz, ganz spät. Der Schalter wurde erst in der 44. Minute umgelegt. Durch wen? Na durch den Denker und Lenker, durch Andy Schmid, der es eben auch als Torjäger kann. Der Schweizer spielte sich nun in einen Rausch. Von den letzten neun Löwen-Toren erzielte er sieben. Angedeutet hatten sich die Schmid-Festspiele zuvor nicht. Im Gegenteil: Auch der vermeintlich stärkste Mittelmann der Welt tauchte ab, passte sich an. Aber in der Crunch-Time war er eben da. Jacobsen fand’s klasse: „Andy hat die ganze Mannschaft auf den Rücken genommen. Er war plötzlich überragend. In den letzten beiden Spielen darf er das aber gerne von Anfang an machen.“ Sagt es, schickt ein breites Grinsen hinterher und verabschiedet sich mit großen Schritten in Richtung Bus.

Von Daniel Hund