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Eine Lehrstunde (RP)

THW Kiel deklassiert die Rhein-Neckar-Löwen 31:20 – Vorsprung schmilzt – Groetzki verletzt

Es sollte die vorzeitige Wachablösung werden, doch es wurde eine wütende Angriffserklärung des THW Kiel. Wie ein Ostsee-Orkan fegte der deutsche Meister gestern Abend über die Rhein-Neckar Löwen hinweg, gewann 31:20 (12:9) und verkürzte den Rückstand auf den Tabellenführer auf zwei Punkte. Der Titelkampf in der Handball-Bundesliga ist wieder offen.

 Wie es unmittelbar nach dem Schlusspfiff um das Seelenleben der Löwen bestellt war, brachte Kim Ekdahl du Rietz exzellent zum Ausdruck. Der Schwede, eigentlich ein kommunikativer Typ, reagierte auf die Bitte um einen Kommentar zu den vorherigen 60 Minuten mit einer abwertenden Handbewegung. Er sagte nichts und lief davon. Es galt für Ekdahl du Rietz und seine Mitspieler, nicht nur die Niederlage im Topspiel zu verarbeiten, sondern die Demontage, der sie gleich kam. Vor etwa zwei Jahren wurden die Löwen zum letzten Mal vorgeführt, damals gab es eine 25:38-Klatsche in Hamburg.

„Wir müssen sehen, wie wir auf dieses Spiel reagieren“, sagte Nikolaj Jacobsen. Der Löwen-Trainer hatte sein Team unmittelbar nach dem Match versucht, aufzubauen. „Das war ein bitterer Abend für uns, aber es sind auch nur zwei Punkte, die wir verloren haben“, sprach der Däne. Morgen, beim Training in Kronau, wird es ein weiteres Gespräch geben, in dem der Coach seine Akteure auf eine Kraftanstrengung gegen den SC Magdeburg einstimmen wird. Am Samstag geht es zum Jahresabschluss gegen den SC (17.15 Uhr, SAP-Arena).

Bitter war, dass mit Patrick Groetzki nach Uwe Gensheimer auch der zweite Teil der Flügelzange ausfiel. Der Rechtsaußen zog sich in der ersten Halbzeit eine Wadenverletzung zu. „Ich hatte das Gefühl, als ob mir jemand von hinten reingelaufen ist in die Wade. Aber es war niemand da. Dabei hat es dann reingestochen“, erzählte er. Es besteht der Verdacht auf einen Muskelfaserriss. Dann würde auch Groetzki für die EM ausfallen …

Groetzki und Gensheimer fehlten in der aufgeheizten Atmosphäre in der Ostseehalle, auch Alexander Petersson konnte nach einem Schlag auf den Kopf nicht mehr spielen. „Er konnte nicht mehr richtig sehen“, sagte Jacobsen. Als Entschuldigung führte er die personellen Probleme nicht an. Zu Recht, denn auch der THW hatte Schwierigkeiten. Patrick Wiencek fehlt seit Monaten, Domagoj Duvnjak war mit einer Knöchelverletzung nicht richtig fit und Linksaußen Rune Dahmke musste in der ersten Halbzeit ebenfalls verletzt raus.

In der ersten Halbzeit deutete sich schon an, dass die Löwen die Ostseehalle als Verlierer verlassen würden. Gegen die defensive 6:0-Abwehr der Kieler fand der Tabellenführer kein Mittel, zudem hatte THW-Keeper Niklas Landin einen guten Tag erwischt. 9:12 lautete der Rückstand nach 30 Minuten. „Bis dahin waren wir eigentlich ganz gut“, befand Jacobsen später.

Nach der Pause brach es dann aber über den Trainer und seine Mannschaft herein. „Wir haben eine Lehrstunde erhalten, wir sind gar nicht mehr durchgekommen“, sagte der Däne. Die Gier der Kieler Spieler war spürbar, die Fans peitschten ihre Mannschaft nach vorne und die Löwen brachen unter dem Druck zusammen. Die 20:31-Niederlage war auch in dieser Höhe die logische Konsequenz. Ob die Klatsche negative Auswirkungen hat, zeigt sich schon am Samstag gegen Magdeburg.

Von Michael Wilkening