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Einen Teil der Ablöse selbst gezahlt

Bereits Anfang des Jahres haben die Rhein-Neckar Löwen indirekt eine erste Kampfansage an die Konkurrenz in der Handball-Bundesliga geschickt. Die Badener nahmen im Januar Routinier Olafur Stefansson für zwei Spielzeiten unter Vertrag. Mittlerweile steht fest, dass Manager Thorsten Storm ein Coup gelungen ist – der 36 Jahre alte Isländer, der 2008 in Peking die olympische Silbermedaille gewann, ist eine der spektakulärsten Neuverpflichtungen für die Saison 2009/2010. Doch damit war der Löwen-Hunger nach Verstärkungen noch lange nicht gestillt: Insgesamt neun neue Akteure tragen in der morgen mit dem Duell zwischen der SG Flensburg-Handewitt und FA Göppingen beginnenden Punkterunde das gelbe Trikot der Badener.

„Für mich ist es eine tolle Sache, am Ende meiner Karriere noch einmal bei so einem großen Verein spielen zu können“, betont Stefansson, der zuletzt mit dem spanischen Top-Club Ciudad Real mehrfach die Meisterschaft sowie zwei Mal in Folge die Champions League gewonnen hat. „Wichtig wird sein, dass wir und auch ich von Verletzungen verschont bleiben. Dann ist sehr viel möglich“, meint der Isländer, der bereits für den LTV Wuppertal (1996 bis 1998) und den SC Magdeburg (1998 bis 2003) in der Bundesliga am Ball war und es zum Ausklang seiner langen und erfolgreichen Karriere noch einmal richtig wissen möchte. „Ich werde mich voll reinhängen“, verspricht der Routinier, der seit langem ein Vorbild für viele junge Handballer war und dies auch immer noch ist.

Wie etwa für seinen neuen Mitspieler Michael Müller, dessen Wechsel vom Ligakonkurrenten TV Großwallstadt in Handball-Deutschland ebenfalls für Aufsehen gesorgt hat. Der Nationalspieler, der sich bei der Weltmeisterschaft in Kroatien auf der rechten Rückraumposition endgültig aus dem Schatten von Holger Glandorf gespielt und geworfen hat, ließ nichts unversucht, damit sein Transfer noch in diesem Frühjahr über die Bühne gehen konnte. Einen Teil der Ablöse hat der Senkrechtstarter der Vorsaison sogar aus der eigenen Tasche bezahlt – er wollte unbedingt so früh wie möglich mit seinem Vorbild Stefansson zusammenzuspielen. Nach dieser Runde hätte der 24 Jahre alte Würzburger zwar ablösefrei wechseln können, „aber dieses Jahr wollte ich mir nicht entgehen lassen“, betont Müller, der von einer guten Stimmung und „sehr viel Spaß im Training“ erzählt und sich pudelwohl fühlt bei seinem neuen Arbeitgeber. „Das Umfeld ist absolut top – und ich möchte mit diesem Verein noch einiges erreichen“, schickt das 100-Kilo-Kraftpaket die nächste Kampfansage an die Konkurrenten vornehmlich aus dem hohen Norden. Grund für Müllers Optimismus ist nicht zuletzt die neue, geballte Löwen-Power auf der rechten Seite.

Wie es ist, zusammen mit Stefansson in einem Team zu spielen, weiß dagegen Carlos Prieto ganz genau. Insgesamt vier Jahre lang trugen der spanische Kreisläufer und der isländische Linkshänder mit dem guten Auge für den Nebenmann das Trikot von Ciudad Real, bevor Prieto im Sommer 2007 für zwei Jahre zu BM Valladolid wechselte. Von Stefansson spricht der 2,03 Meter große Iberer noch immer mit großer Bewunderung. „Er ist einer der besten Spieler, mit denen ich jemals in einem Team gestanden habe“, erklärt der Modellathlet, der seine Stärken besonders in der Defensive hat und deshalb künftig mit Abwehrhaudegen Oliver Roggisch den nur schwer zu überwindenden Mittelblock bilden könnte.

Vom Spielertyp ähnlich wie Prieto ist auch der zweite neue Kreisläufer, den die Badener in diesem Sommer unter Vertrag genommen haben. Vom insolventen Zwangsabsteiger aus Nordhorn kam Bjarte Myrhol zur ambitionierten Spielgemeinschaft aus Kronau und Östringen.

Der Norweger, der am Kreis stets rackert wie ein Berserker und keinen Ball verloren gibt, arbeitete schon bei den Grafschaftern erfolgreich unter Coach Ola Lindgren und war ein Wunschspieler des neuen Übungsleiters. Am Kreis haben die Löwen nun ein echtes Luxusproblem – nämlich ein Überangebot. „Wir wissen, dass wir auf dieser Position einen Spieler zu viel haben. Vielleicht tut sich da ja kurzfristig noch etwas“, sagt Manager Storm. Wenn möglich, soll Andrej Klimovets den Verein verlassen. Dass den 35 Jahre alten Ex-Nationalspieler in den kommenden Wochen eine Knieverletzung außer Gefecht setzt, erschwert dieses Vorhaben.

Ebenfalls neu in Lindgrens Team ist mit Alexandros Alvanos ein dritter Linkshänder, der bereits im November 2008 ursprünglich ebenfalls für den rechten Rückraum geholt wurde. In der Vorbereitung musste der flinke Grieche aber für Patrick Groetzki, der bei der Junioren-WM in Ägypten mit der deutschen Mannschaft den Titel holte, auf Rechtsaußen einspringen – auch wenn er sich in dieser für ihn ungewohnten Rolle sichtlich unwohl fühlt. „Alexis kann sowohl auf der Halb-, als auch auf der Außenposition spielen“, betont jedoch der neue sportliche Löwen-Berater Kent-Harry Andersson.

Deshalb sieht es auch danach aus, dass der 29 Jahre alte hellenische Nationalspieler – ob er nun will oder nicht – als zweiter Rechtsaußen in die Runde geht. „Diese Situation ist für beide Seiten – für den Spieler und den Verein – natürlich nicht einfach“, weiß Manager Storm, stellt jedoch klar: „Unser Trainer Ola Lindgren muss sagen, wen er will und wen nicht.“ Doch auch wenn der ehemalige Gummersbacher vorerst wohl nicht auf seiner angestammten Position zum Zug kommt, betont er stets, dass er einfach sehr froh darüber sei, „bei den Löwen zu spielen“.

Auch die bislang so erfolgreich eingesetzte Trumpfkarte „Eigene Jugend“ spielen die Badener wieder aus und geben gleich vier talentierten Nachwuchskräften die Chance, in der Bundesliga erste Erfahrungen zu sammeln. Neben Jugend-Nationaltorhüter Maximilian Bender gehören auch Linksaußen Niklas Ruß, Kreisläufer Alexander Becker sowie der junge Ungar Gabor Ancsin zum Profikader von Lindgren. Allerdings sind die drei Feldspieler jeweils mit dem Zweitspielrecht beim Süd-Zweitligisten TSG Friesenheim, dem Kooperationspartner der Löwen, ausgestattet.

Von Christof Bindschädel

 01.09.2009